Ausgabe Mai 2019

Mit der Bibel für Bolsonaro

Die Macht der brasilianischen Pfingstkirchen

Die Zentrale der Igreja Universal do Reino de Deus, der Universalkirche des Gottesreiches (IURD) hat wenig Ähnlichkeit mit den Megakirchen nordamerikanischen Typs. Ihre 18 Stockwerke stellen die großen Kästen, die man aus Vororten amerikanischer Großstädte, etwa in Texas oder Missouri, kennt, bei weitem in den Schatten. Hinter säulenbestückten Mauern aus importiertem Granit und Marmor findet man sich in einem 10 000-Plätze-Gotteshaus wieder und sieht weder Kreuze noch Orgeln, sondern die überdimensionale Darstellung einer Menora, eines siebenarmigen Leuchters also, die sich vom Eingang bis hin zur Kanzel erstreckt. Männer in Schals und Kappen, die stark an jüdische Gebetsmäntel und Kippas erinnern, widmen sich religiösen Zeremonien neben hebräisch beschrifteten Dekalogstafeln und einer vergoldeten Bundeslade. Das gigantische Bauwerk ist als vergrößerte Reproduktion des biblischen Salomo-Tempels gedacht, gleicht allerdings eher einem Cäsarenpalast.

Doch wir befinden uns hier in São Paulo, nicht in Las Vegas oder Jerusalem, und die Darsteller sind pfingstkirchliche Pastoren und nicht etwa Rabbis. Genauer gesagt handelt es sich um neu-pfingstlerische Pastoren, die ein synkretistisches Gebräu ausschenken, eine Mixtur aus Reichtumsverherrlichung, Millenarismus, Wunderheilung, Geisterbeschwörung und Exorzismus.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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