Ausgabe Juni 2020

Corona-Trio-Infernale

Boris Palmer

Bild: Boris Palmer (imago images / Future Image)

Jede Krise verlangt ihre Opfer. Doch eine ganz spezielle Leidensgeschichte der Corona-Katastrophe wurde bisher viel zu wenig beachtet – nämlich die jener tragischen Vollmund-Politiker, die es über Wochen ertragen mussten, dass Virologen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses standen. Wenigstens drei sind an diesem schweren Gang ins Schweigen gescheitert.

Der Erste war, wen konnte es verwundern, der notorisch verhaltensauffällige Boris Palmer. Just im 250. Geburtsjahr der Tübinger Geistesheroen Hegel und Hölderlin meinte der Tübinger Bürgermeister seinen Beitrag zum deutschen Humanismus leisten zu müssen und erfand das „Sowieso-bald-tot-Theorem“. Ausgerechnet im seichten Sat 1-Frühstücks-TV wollte Palmer es „mal ganz brutal“ sagen: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Vieles waren die Grünen von ihrem schwäbischen Kreuz-und-Querdenker gewohnt, aber das schlug dem Fass den Boden aus. Parteivorstand und -basis bekundeten denn auch umgehend, dass Palmers Parteikarriere nach Ablauf seiner Amtszeit beendet sein müsse.

Numero zwei ist der SPD-Haushaltspolitiker und Chef der parteirechten Seeheimer, Johannes Kahrs. Der wohl umtriebigste Strippenzieher des Bundestages hatte sich bereits derart darauf eingeschossen, den untadeligen Hans-Peter Bartels als Wehrbeauftragten wegmobben zu dürfen, dass er dem neuen Amt bereits fleißig neue Posten zuschusterte.

Juni 2020

Sie haben etwa 39% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 61% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.