Ausgabe November 2021

Die erschöpfte Frau

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In modernen Beziehungen und Familien tragen Frauen nach wie vor die Hauptverantwortung für Hausarbeit, Kinderbetreuung und vor allem für die sogenannte mentale Arbeit, für das „Gesamtmanagement“. In Kombination mit der zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen führt dies zu dramatischen Erschöpfungszuständen. Das ist nicht allein ein Effekt traditioneller Einstellungen, sondern es ist grundlegender: Unsere Wirtschaft baut auf der Ausbeutung und Abwertung von Sorgearbeit auf. Sorgearbeit gilt auch heute als eine dauerverfügbare, weiblich konnotierte Ressource, an der man sich gesellschaftlich bedient. Wenn die Erschöpfung aufhören soll, müssen wir das System ändern.

Im Jahr 1989 publizierte die Soziologin Arlie Hochschild ihre Studie „The Second Shift“. Hochschild zeigte, dass berufstätige Frauen zusätzlich immer noch eine zweite Schicht zu Hause absolvieren.[1] Hochschild fragte: Wenn beide Eltern erwerbstätig sind – wer holt dann die Kinder vom Kindergarten ab, kocht Essen und macht die Wäsche? Was Hochschild damals herausfand, war vorhersehbar: Die meisten Frauen absolvierten nach einem langen Erwerbsarbeitstag zusätzlich mehrere Stunden unbezahlter Hausarbeit. Frauen arbeiten, wenn man die Familien- und Hausarbeit dazuzählt, in den USA insgesamt einen Monat mehr pro Jahr als Männer.

Heute ist das nicht sehr viel anders.[2] Im Verlauf der 1980er Jahre konnten sich immer weniger Familien ein sogenanntes Hausfrauenmodell leisten (viele konnten es sich noch nie leisten), mit dem Preis, dass die Haus- und Familienarbeit zunehmend unter Druck geriet und unter großem Stress absolviert werden musste. Der Effekt war schon damals Müdigkeit, Erschöpfung, Schuldgefühle und Überarbeitung seitens der Frauen. Hochschild beschrieb, was heute unter dem Begriff „Mental Load“ bekannt ist: Selbst bei Paaren, die sich Erwerbs- und Familienarbeit einigermaßen gerecht aufteilten, bleibt die mentale und emotionale Verantwortungslast oft bei den Frauen. Sie bleiben die Projektleiterinnen, die den Überblick über Arzttermine, Kindergeburtstage und passende Winterkleider haben, die häufiger auf ihr Telefon schauen, um zu kontrollieren, ob der Babysitter oder die Kita angerufen haben, die also innerlich wie äußerlich konstant mit Familienarbeit befasst sind.

Und nicht zuletzt sind sie es, die für die emotionale Stabilität der Kinder, für Harmonie und Ausgleich in der Familie – auch in der erweiterten Konstellation mit Großeltern und Verwandten – zuständig sind. In Familien, in denen die Eltern geschieden sind oder die aus vielen Mitgliedern bestehen, fällt vor allem Frauen die Verantwortung in die Hände, alles so zu planen, dass sich niemand auf die Füße getreten fühlt oder sich über etwas ärgert. Sie sind es, die die mentale und emotionale Arbeit leisten, die sich konstant zuständig fühlen und denen auch nach Feierabend noch der Ofen auffällt, der zu putzen ist, oder die Ferien, die zu planen wären. Das ist wohl auch ein Grund, weshalb viele Frauen im Corona-Homeoffice beruflich nicht so viel schaffen wie die männlichen Kollegen: Sie fühlen sich im Homeoffice auch für die Haus- und Familienarbeit permanent zuständig. Selbst wenn es keine kleinen Kinder zu versorgen gibt, ist das Zuhause für viele Frauen ein Ort, der ständig ruft: Putz mich, räume mich auf! Das Zuhause ist eine Baustelle, die nie fertiggestellt wird – es gibt ja noch die Pflanzen, die Fenster, die Post.

Die Comiczeichnerin Emma hat das Thema in ihrem Buch „Mental Load. A Feminist Comic“ pointiert dargestellt: Männer gehen Hausarbeit eher so an, dass sie fokussiert eine Sache machen. Und dann ist das abgeschlossen. Zum Beispiel den Tisch abräumen. Frauen dagegen beginnen, den Tisch abzuräumen, unterwegs stolpern sie über ein schmutziges Küchentuch, das bringen sie zum Wäschekorb, der aber voll ist. Also setzen sie eine Wäsche auf und treffen auf den zuvor eingekauften Gemüsekorb, den sie dann kühl stellen, und während sie das tun, fällt ihnen auf, dass der Senf aufgebraucht ist, und schreiben das auf einen Einkaufszettel. Und wenn sie schon beim Einkaufszettel sind, können sie auch gleich noch überlegen, was es sonst noch braucht, und dazwischen wickeln sie vermutlich ein Kind, lösen einen Konflikt zwischen Geschwistern auf und nehmen einen Anruf entgegen. Insgesamt hat es dann zwei Stunden gedauert, bis der Tisch abgeräumt ist.

Frauen haben ihre Antennen meist in alle möglichen Richtungen gerichtet. Sich die richtigen Geschenke überlegen, mit Erziehungstipps befassen oder Listen erstellen kann natürlich auch Freude bereiten. Das bedeutet aber nicht, dass diese Aktivitäten nicht anstrengend sind. Und: Dass einige Frauen gerne an Geburtstage denken, ändert nichts an der Tatsache, dass viele das Gefühl haben, dass es von ihnen erwartet wird. Diese Pflichtgefühle sind oft so tief verwurzelt, dass Frauen akute Schuldgefühle bekommen können, wenn sie jemanden vergessen.[3] Auch der Umgang mit diesen Schuldgefühlen oder anderen Gefühlen, etwa sich Sorgen machen, gehören zur mentalen und emotionalen Arbeit, die Frauen leisten – zu Hause wie im Beruf.

Frauen ist oft nicht bewusst, dass sie neben der körperlichen Hausarbeit auch andauernde mentale und emotionale Arbeit leisten. Und auch sonst fehlt in der Gesellschaft dieses Bewusstsein. Dies hat mehrere Auswirkungen: Erstens sind Frauen beinahe doppelt so oft von Stress betroffen wie Männer.[4] Zweitens führt es dazu, dass Frauen weniger Ruhepausen haben. Sie geben oft an, dass sie sich schwer damit tun, zur Ruhe zu kommen. Auch wenn die Aufgaben erledigt sind, die sie sich vorgenommen haben, denken sie oft noch über Dinge nach, die gemacht werden müssen – von ihnen oder von anderen Personen. Drittens haben Frauen ein höheres Burn-out-Risiko, denn bei Personen, deren Tätigkeiten viel Emotionsarbeit erfordern, ist die Wahrscheinlichkeit eines Burn-outs höher.[5]

Auch Männer kennen natürlich emotional und planerisch entgrenzende Situationen, dies aber vor allem im Beruf. Zu Hause sind ihre Aufmerksamkeit und ihr Pflichtgefühl nicht das Gleiche, sie fühlen sich mehr als Unterstützer, Helfer oder Assistenten der Frauen und nicht in der Hauptverantwortung. Und letztlich fühlen sich viele Männer für Schmutz und Unordnung auch deshalb weniger zuständig, weil es nicht auf sie zurückfällt, wenn nicht geputzt ist.

Wie heterosexuelle Familien Arbeit (nicht) teilen

Aber wie sieht es bei heutigen heterosexuellen Paaren mit Kindern genau aus? Sehen wir nicht auch eine Modernisierung und neue Vaterrollen? In der Schweiz gibt ein Viertel der Väter in heterosexuellen Konstellationen an, dass sie sich aktiv um den Nachwuchs kümmern oder kümmern möchten. In Deutschland sind es sogar siebzig Prozent. In sogenannten kreativen Berufsmilieus sind viele Väter einen oder zwei Tage die Woche zu Hause, andere versuchen, während Randzeiten, am Wochenende oder in den Ferien präsent zu sein. Auch in den USA geben Väter an, dass sie es sich aus beruflichen und finanziellen Gründen zwar nicht leisten können, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, sich aber trotzdem mit ihren Kindern beschäftigen und in der Familie präsent sind: Die meisten dieser Väter sagen, dass sie die Zeit mit ihren Kindern als Bereicherung empfinden und die Beziehung ihrem Leben Sinn gibt.

Allerdings führt die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung keineswegs automatisch zu einer ausgeglicheneren Arbeitsteilung. Mehrere Studien belegen, dass selbst in den skandinavischen Vorbildländern die institutionalisierte Vaterzeit nicht die erhoffte Wirkung zeigt: In Schweden nimmt ein Großteil der Väter gerade mal zwei von 15 Monaten Elternzeit in Anspruch. Für Männer bleibt es oft eher eine freiwillige Option, und wenn sie aus verschiedenen Gründen die Elternzeit nicht oder nur zum Teil in Anspruch nehmen, wird vorausgesetzt, dass die Mütter die dadurch entstehende Lücke füllen. Umgekehrt ist das keineswegs so. Die schwedische Forscherin Lisbeth Bekkengen hat zudem beobachtet, dass Mütter in Elternzeit wie gehabt auch für den Hauptteil des Haushalts verantwortlich sind. Das gilt für Väter meist nicht. Vielmehr etabliert sich eine umgekehrte Dynamik: Gerade, weil Männer sich um das Kind kümmern, können sie die Hausarbeit ihren Frauen überlassen.[6]

Die Forscherin fand heraus, dass es eine Art Paradoxie der Anerkennung gibt: Männer erhalten in der Regel für ihren Beitrag besonderen Beifall. Wenn dieselbe Arbeit von Frauen verrichtet wird, gilt sie als selbstverständlich. Auch Frauen betonen oft mit Nachdruck, wie bemerkenswert es sei, dass ihre Männer für ihre Kinder sorgen oder sorgen wollen. Die Familiensoziologie nennt dieses Phänomen „Ökonomie der Dankbarkeit“: Frauen, deren Partner sich an der Kinderbetreuung beteiligen, sind dafür in der Regel dankbar. Und trauen sich deshalb oft nicht, auch in Sachen Haushalt oder Planung mehr einzufordern. Kurz gesagt: Wenn Männer auf Kinder aufpassen, putzen Frauen mehr, und ihre unsichtbaren Zuständigkeiten werden erst recht nicht mehr hinterfragt. Das verstärkte Engagement der Väter mit den Kindern ist also nur bedingt eine Entlastung. Eine geteilte Kinderbetreuung kann alte Ungleichheiten unter dem Deckmantel des guten Willens verstärken. Wenn beide gleich viel Zeit mit den Kindern verbringen, bleibt die physische wie mentale Hausarbeit oft erst recht bei den Frauen.

Der Wunsch nach gleichberechtigter Verantwortung in Familienfragen ist gegenüber früheren Zeiten ein Fortschritt. Gleichzeitig haben die hohen Ideale den Effekt, dass Abweichungen davon und die tatsächliche Retraditionalisierung, die bei den meisten Paaren beim ersten Kind einsetzen,[7] beschönigt oder ignoriert werden, dass Paare den Sinn für die Realität verlieren und die Überstrapazierung der Frauen in diesen „emanzipierten“ Beziehungen noch nicht mal mehr eine berechtigte Artikulation finden kann.

In Allison Damingers Studie über kognitive Arbeitsteilung und Mental Load wird deutlich, dass bei den befragten heterosexuellen Paaren der Mythos einer bereits erreichten gleichberechtigten Arbeitsteilung oft dazu führt, dass die tatsächliche Mehrarbeit der Frauen unsichtbarer wird.[8] In der Studie geben fast alle Paare an, die Verantwortung in Entscheidungsprozessen gleichberechtigt und gemeinsam zu tragen. Eines der Paare erzählt, man habe sich gemeinsam für einen Kitaplatz entschieden. Man habe sich zusammengesetzt, sich Gedanken gemacht und diskutiert, welche Kita in der Gegend die beste Option wäre. Anschließend habe man anhand der verschiedenen Möglichkeiten entschieden. Als die Forscherin genauer nachfragt, wird aber klar: Die Frau hatte bereits Monate zuvor mehrmals daran erinnert, dass das Paar das Kita-Thema besprechen sollte. Auch der Tag der Entscheidung, das gemeinsame Gespräch war von der Frau initiiert und geplant worden. Ferner hatte die Frau zuvor mehrere Stunden im Internet recherchiert und herausgefunden, welche Kitas es in der Umgebung gibt und welches deren Vor- und Nachteile sind. Zu dem Zeitpunkt, als sich das Paar beratschlagte, um gemeinsam und scheinbar gleichverantwortlich das Thema anzugehen, gab es bereits eine von der Frau erarbeitete Entscheidungsgrundlage, zudem hatte die Frau wiederholt das Thema eingebracht (also daran gedacht, daran erinnert, insistiert usw.).

Gleichwohl hat das Paar die Selbstwahrnehmung, gemeinsam entschieden und gleich viel Aufwand investiert zu haben. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Der Moment, in dem Paare Entscheidungen treffen, geschieht, wie die Studie festhält, tatsächlich oft gemeinsam und gleichberechtigter als zu anderen historischen Zeiten. Die Studie zeigt aber auch: Damit Paare gemeinsame Entscheidungen treffen können, haben Frauen vorher meist schon viele Stunden Vorarbeit geleistet. Die Vorarbeit der Frau ist im beschriebenen Beispiel beiden nicht bewusst, sie bleibt unsichtbar oder verdrängt, auf diese Weise kann das Paar an seinem Mythos der geteilten Verantwortung festhalten und sich selbst als modern betrachten. Daminger folgert, dass mentale Erschöpfung bei vielen Frauen auch deshalb entsteht, weil sie selbst und ihre Partner den Anspruch oder die Wunschvorstellung haben, bereits gleichberechtigt zu sein. Es passt nicht in ihr Selbstbild, dass Frauen auch in emanzipierten Beziehungen nach wie vor und unverändert vor allem kognitive und emotionale Mehrarbeit leisten.

Im deutschsprachigen Raum kommt die Studie der Soziologin Sarah Speck, die sich mit Gender-Arrangements in linksalternativen Paarkonstellationen befasst, zu ähnlichen Schlüssen. Paare würden, so Speck, die Ungleichheit in ihrer Beziehung gar nicht wahrnehmen, sie belügen sich permanent selbst.[9] Oder wie es der verstorbene Soziologe Ulrich Beck schon 1986 formulierte, wir haben es mit einer „verbalen Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ zu tun. Fakt ist: In Deutschland wenden Frauen pro Tag durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf. In heterosexuellen Paarhaushalten mit Kindern leisten Frauen sogar 83,3 Prozent mehr Sorgearbeit.[10]

Doch auch eine perfekte individuelle Alltagsgestaltung wird die strukturellen Bedingungen nicht auflösen, mit denen Familien konfrontiert sind und die maßgeblich dazu beitragen, dass die Verfügbarkeit der weiblichen Sorgearbeit und die Erwerbsorientierung der Männer bis heute nicht grundlegend infrage gestellt werden. So gibt es für Männer kaum Teilzeitjobs, und ein zentrales Hindernis für mehr familiäres Engagement ist, wie viele Väter sagen, die vorherrschende Anwesenheitskultur – die sich allerdings im Zuge der Corona-Pandemie langsam aufzulösen beginnt. Doch auch im Homeoffice wird die Arbeit zwischen Geschlechtern nicht automatisch gerechter verteilt, im Gegenteil, bisher weisen die Erhebungen darauf hin, dass die ungleiche Arbeitsteilung noch verschärft wurde.

Aufgrund der globalen Krisenverhältnisse hat der Druck, erfolgreich im Beruf zu sein, auf eine Weise zugenommen, dass die Hauptorientierung sowohl von Männern als auch von Frauen zunehmend auf dem Geldverdienen liegt. Menschen leisten heute, begünstigt durch die Dauererreichbarkeit durch das Internet und Smartphones, insgesamt mehr Erwerbsarbeit als früher. Dadurch erodiert die einigermaßen klare Trennung von Erwerbsarbeit und Freizeit, was es noch schwieriger macht, Berufs- und Familienarbeit zu vereinbaren.

Praktisch alle vorliegenden Studien zeigen, dass Väter vor allem aus beruflichen Gründen Elternzeit nicht in Anspruch nehmen, auch wenn sie dies könnten. Selbst in Schweden geben 46 Prozent der befragten Männer als Grund für die geringe oder Nicht-Inanspruchnahme der Elternzeit die berufliche Karriere an. Fragt man die Mütter, so halten sie eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit des Vaters zugunsten von Elternzeit ebenfalls häufig für unmöglich. Die Karriere der Männer als feststehende Konstante wird weder von Männern noch Frauen wirklich infrage gestellt. Dass die berufliche Laufbahn von Frauen Unterbrechungen aufweist, gilt hingegen als selbstverständlich. Frauen wie Männer tragen also in heterosexuellen Konstellationen letztlich zur Aufrechterhaltung der Geschlechterungleichheit in der Familienarbeit bei, ihre Argumente speisen sich aus strukturellen Bedingungen, aber auch aus den Vorstellungen darüber, was die Rolle des Manns oder der Frau in der Familie ist. Versucht man, die Begründungen der Familien für ihre Arbeitsteilung in einem Satz zusammenzufassen, so lautet dieser: „Es geht nicht anders.“ Es geht nicht anders, weil Frauen weniger verdienen (was sich bisher nicht geändert hat) oder weniger qualifiziert sind als Männer (was sich gerade ändert) oder weil sich eine Teilzeitstelle steuertechnisch nicht lohnt. Wenn schon, müssten die Frauen Vollzeit arbeiten, was wiederum nicht mit dem gängigen Mutterideal vereinbar ist.

Die Auseinandersetzung mit dem Mikroalltag in Familien ist wichtig, aber sie kann die Sicht reduzieren auf individuelle Verhaltensweisen. Es genügt nicht, zu zählen, wer in Familien wie viele Stunden Sorgearbeit leistet. Um etwas zu verändern, muss man das Problem grundlegender betrachten.

Die Wirtschaft zerstört ihre eigenen Grundlagen

Im Jahr 1971 gründete die Aktivistin Mariarosa Dalla Costa gemeinsam mit anderen Frauen in Italien das International Feminist Collective, mit dem sie die internationale Kampagne „Lohn für Hausarbeit“ lancierte. Auch in der Bundesrepublik bildeten sich damals viele Gruppen, die einen „Lohn für Hausarbeit“ forderten. Sie argumentierten, dass die unbezahlte Hausarbeit der Frauen weder „natürlich“ sei oder aus dem Mutterinstinkt entstehe, sondern ein ökonomischer Faktor, der die kapitalistische Produktion überhaupt erst ermöglicht. Bevor Menschen in Fabriken und Angestellte in Büros Gewinne erarbeiten können, müssen sie erst einmal geboren, gepflegt, geliebt, erzogen und versorgt werden. Care-Arbeit ist, wie die Aktivist*innen formulierten, die unsichtbare Grundlage des Marktes. Trotzdem werde sie als außerökonomische Tätigkeit abqualifiziert, gelte schlicht nicht als Arbeit, sondern als eine selbstverständlich verfügbare Ressource, an der man sich endlos bedienen kann. Dagegen wehrten sich Frauen damals wie heute. Weltweit fordern derzeit Frauen beziehungsweise FINTA-Menschen (Frauen, inter-, nicht-binäre, trans und agender Menschen)[11] Anerkennung für die Sorgearbeit, die nicht nur in Familien, sondern auch in Büros, unterbezahlt in Krankenhäusern, Kitas, in Freundschaften oder Partner*innenschaften verrichtet wird. Bis heute sind, man muss das leider sagen, diese Forderungen ohne Erfolg. Es ist sogar schlechter geworden: Während es in anderen Bereichen geschlechterpolitische Fortschritte gibt, haben sich Ausbeutung und Erschöpfung in Bezug auf die Care-Arbeit deutlich verschlimmert.

Die Wirtschaft zerstört ihre eigenen Grundlagen, indem sie sich nicht um die Bedürfnisse derjenigen kümmert, die lebensnotwendige Sorgearbeit leisten. Im Zuge von Deregulierungen, Sparmaßnahmen, dem Abbau der Sozialsysteme und der zunehmenden Erwerbstätigkeit der Frauen wurde Sorgearbeit immer prekärer. Wenn alle Geld verdienen müssen, bleibt kaum Zeit für Sorgearbeit. Nahezu die gesamte menschliche Existenz ist heute auf den Bereich der Erwerbsarbeit ausgerichtet, Sorgearbeit wird da zur enormen Last. Die Historikerin Tove Soiland sagt dazu in einem Interview: „Ohne das ältere, fordistische Zeitalter verteidigen zu wollen: Es scheint mit seiner konservativen Familienideologie wenigstens noch akzeptiert zu haben, dass es diese Tätigkeiten gibt und dass sie notwendig sind. Im Zuge der Emanzipation der Frauen und der Deregulierung der Märkte wurde diese Akzeptanz des Füreinander-Sorgens jedoch in den Hintergrund gedrängt.“[12] Das Bild der erfolgreichen Superpowerfrau enthält keine Sorgearbeit, keine Verbindung mit anderen, keine Zuständigkeit und Verpflichtung für andere.

Gleichzeitig gibt es einen immer größeren Bedarf an diesen Tätigkeiten, etwa weil Menschen immer älter werden und länger Umsorgung brauchen. Die durch die Berufsarbeit durchgetakteten Tagesabläufe zwingen aber auch die private Fürsorgearbeit unter ein Dogma von Projektmanagement und Effizienz. Das wiederum wird der besonderen Konstitution und besonderen Abläufen von Beziehungshandeln meistens nicht gerecht. Um noch mal Soiland zu zitieren: „Ein Kind berichtet uns nicht, woran es im Kindergarten gerade leidet, wenn die zehn Minuten Qualitytime angesagt sind. Das Kind tut das irgendwann, wenn man gerade nicht damit rechnet. Dafür, dass dieses Unvorhergesehene Raum haben darf, müssen wir politisch kämpfen.“

Und es wurde dafür hart gekämpft, aber es hat nichts gebracht. Der Grund dafür ist einfach, aber schwerwiegend: Die Forderung nach einer Aufwertung der Sorgearbeit ist nicht mit den bestehenden kapitalistischen Verhältnissen vereinbar. Während etwa Forderungen, berufstätig sein zu dürfen, Karriere zu machen, studieren zu können, Geschlechtervariationen auf Facebook angeben zu können, und körperliche Selbstbestimmung und Vielfalt durchaus vom Markt vereinnahmt werden können. Die Aufwertung von Sorgearbeit und ihre Gleichstellung mit der Erwerbsarbeit hingegen lässt sich im bestehenden ökonomischen System nicht umsetzen. Eine Wirtschaft, die hunderte Milliarden Stunden von Sorgearbeit mitfinanziert, ist nicht mehr im gleichen Maße profitabel. Zudem: Wenn alle Menschen einigermaßen gerecht aufgeteilt Sorgearbeit leisten und Verantwortung für Sorge übernehmen, brauchen sie dafür Zeit. Und das bedeutet, dass dann ihre Arbeitskraft nicht mehr gleichermaßen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen kann. Auch das ist nicht kompatibel mit einer Wirtschaftsweise, die ihren gesamten Fokus auf Erwerbsarbeit und die Erzielung von Wertschöpfung legt. „Frauen, denkt ökonomisch!“, mahnt die Philosophin Nancy Fraser und meint damit, dass ein zeitgemäßer Feminismus ohne die Frage von grundsätzlicher Umverteilung von Macht und Ressourcen, ohne die Forderung nach einem neuen Wirtschaftssystem nicht auskommen kann.

Das Ende der Erschöpfung

Wenn die Erschöpfung tatsächlich aufhören soll, kommen wir nicht drum herum, Sorgearbeit ins Zentrum der Gesellschaft und der Wirtschaft zu stellen. Die ökonomischen Grundfragen müssen sich ändern, sie können nicht mehr sein: Wie erzielen wir Gewinn?, sondern: Was brauchen Menschen, damit es ihnen gut geht? Wirtschaft muss sich am Wohl der Menschen und ihren realen Bedürfnissen ausrichten. Das heißt an der Tatsache, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens sehr viele Stunden Pflege benötigt – sei es als Kind, als kranker oder alter Mensch. Wenn wir vor der Verletzlichkeit und Bedürftigkeit des Menschen weiterhin die Augen verschließen, wenn ökonomische Prämissen an diesen Grundbedürfnissen vorbeizielen und sich einseitig auf Konsum und Wertsteigerung richten, wird Sorgearbeit weiterhin unter enormem Zeitdruck, tiefer Erschöpfung und Prekarität verrichtet werden. Und das wird weiterhin vor allem die Frauen treffen.

Gemäß der Ökonomin Mascha Madörin ist der Grund, warum Sorgearbeit – sowohl die zu Hause geleistete wie die professionelle – vernachlässigt wird, dass es sich nicht um sogenannte produktive, also wertschöpfungsstarke Bereiche handelt. In der Automobilindustrie zum Beispiel lässt sich die Arbeitszeit verdichten, outsourcen, automatisieren. Das senkt die Produktionskosten und steigert die Wertschöpfung. Im Gesundheits-, Pflege- und Erziehungssektor ist das nicht in gleichem Maße möglich. Die Kosten scheinen daher ständig zu explodieren. Um sie dennoch zu drücken, spart man beim Personal und bei den Löhnen. Die Auswirkungen sind bekannt: Auf der einen Seite werden Sorgebedürftige immer schlechter versorgt. Auf der anderen Seite kämpfen die Care-Arbeiter*innen mit Überlastung, Burn-out und Armut. Noch dazu haben sie ein chronisch schlechtes Gewissen, den Bedürfnissen nicht gerecht zu werden.

Die Situation von Frauen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zweifelsohne sehr verändert. Sie haben viele Freiheiten erkämpft. Aber eines hat sich nicht verändert: Die Sorgearbeit gilt auch heute als eine weiblich konnotierte, vollkommen prestigelose Ressource, an der man sich gesellschaftlich bedient. Die Abwertung der Frauen und ihre Verfügbarmachung für Sorgearbeit hängen zusammen, diese Verbindung ist ökonomisch profitabel.

Die vorherrschenden ökonomischen Modelle und Theorien verlieren nach wie vor kaum ein Wort über Sorgearbeit, das Thema fließt nicht in die Forschung ein, wird nicht an den Universitäten gelehrt, selten im Parlament verhandelt. Volkswirtschaft wird noch immer ohne die Bedeutung der Sorgearbeit gelehrt, erforscht und betrieben. Und das, obwohl es zahlreiche konkrete Vorschläge gibt, diese Situation zu verändern. Iris von Roten zum Beispiel entwickelte in ihrem Buch „Frauen im Laufgitter“ bereits vor fünfzig Jahren die Forderung, Erwerbsarbeitszeit für alle zu reduzieren.“[13]

Für eine neue Zeitpolitik

Die zentrale Frage ist: Wie können wir Bedingungen schaffen, unter denen Sorgearbeit von allen geleistet und gerechter verteilt werden kann? Mich persönlich überzeugt die Stoßrichtung, die Erwerbsarbeit zu reduzieren und neue Zeitmodelle zu lancieren.[14] Im Jahr 2008 präsentierte die feministische Soziologin Frigga Haug die Vier-in-eine-Perspektive: eine „Utopie von Frauen, die eine Utopie für alle ist“. Ihre Forderung: andere Tätigkeiten, wie Sorgearbeit, aber auch politisches (etwa ehrenamtliches) Engagement oder kulturelle Projekte als gleichrangig mit der Erwerbsarbeit zu betrachten – auch was den zeitlichen Aufwand angeht. Nur so lasse sich eine gerechtere Verteilung von Haus- und Lohnarbeit verwirklichen.

Haugs Utopie geht davon aus, dass jeder Mensch (bei acht Stunden Schlaf) etwa 16 Stunden am Tag für die einzelnen Tätigkeitsbereiche aufwenden kann. Bei einer gerechten Verteilung von Zeit und einer Gleichwertigkeit der Tätigkeiten würde das bedeuten, dass alle Menschen etwa je vier Stunden am Tag für Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, kulturelle Selbstverwirklichung und politisches Engagement investieren können. Denn diese vier Bereiche sind für die Gesellschaft und auch für jede*n Einzelne*n wichtig. Die vier Stunden sind dabei nicht absolut, sondern nur als Orientierung gedacht. Die Idee dahinter ist, ein Umdenken herbeizuführen und nicht länger die profitorientierte Lohnarbeit als einzig anerkannte menschliche Arbeit gelten zu lassen, sondern Care-Arbeit, politische und kulturelle Arbeit aufzuwerten.

Fest steht: Die wachsende Erschöpfung von Frauen ist kein Zustand, der sich individuell lösen lässt. Sie erwächst aus gesamtgesellschaftlichen Strukturen und ist somit etwas, das uns alle angeht. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Erschöpfung der Frauen Ausdruck einer ausbeuterischen ökonomischen Logik ist. Um es noch etwas drastischer auszudrücken: Die Erschöpfung der Frauen ist die Basis unserer Wirtschaft. Man stelle sich nur vor, die Arbeit von sorgenden Frauen müsste weltweit angemessen bezahlt werden: Es würden viel weniger oder gar keine Profite mehr erzielt werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass es nach dieser Logik ökonomisch notwendig ist, dass Frauen diese Tätigkeiten als moralischen Liebesdienst übernehmen („Sie machen das von Natur aus gerne“). Es ist, wenn man das weiterdenkt, auch ökonomisch „notwendig“, Frauen zu entwerten und sie als Menschen zweiter Klasse die Sorgearbeit gratis machen zu lassen. Misogynie und Kapitalismus sind inhärent verwoben: Wenn Fürsorge nicht als Arbeit, sondern als private „Arbeit aus Liebe“ definiert ist, muss sie nicht oder kaum bezahlt werden.

In diesem System werden nicht nur Care-Arbeit und die Menschen, die sie verrichten, marginalisiert. Die existenziellen Bedürfnisse der Menschen überhaupt werden abgewertet. Fetischisiert wird dagegen ein autonomes – männliches – Subjekt, ein Homo oeconomicus, der nichts und niemanden braucht und aus sich selbst heraus produktiv ist. Dieser Fetisch ist zerstörerisch. Nicht nur, weil er ausbeuterische Verhältnisse hervorbringt. Sondern auch deshalb, weil das Ideal der Autonomie unerreichbar ist.

Mascha Madörin verweist auf den hohen Anteil der Sorgearbeit an der wirtschaftlichen Wertschöpfung. Die Millionen Stunden gratis oder unterbezahlte Sorgearbeit tragen, je nach Rechnung, bis zu 50 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei; Frauen leisten zwei Drittel dieser Arbeit. Die Feminisierung der Care-Arbeit ist damit Effekt und Voraussetzung kapitalistischer Produktionsweisen. Eine (kapitalistische) Marktökonomie kann nur dann profitabel sein, wenn sie kaum Verantwortung für die Reproduktion und für den Bedarf nach Care übernimmt, die über Lohnzahlungen hinausgeht.[15] Ein zentraler Faktor für die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen ist, dass unbezahlte Hausarbeit, Pflege und Fürsorge weltweit zu drei Vierteln von Frauen geleistet werden.[16] Hinzu kommt: Häufig wird die Care-Arbeit von privilegierteren Frauen an weniger privilegierte Frauen weitergegeben, die unter schlechten Arbeitsbedingungen die Überlastung ausgleichen sollen. Sie hinterlassen wiederum Care-Lücken und Überlastungen in ihren eigenen Familien. Die Erschöpfung und die Ausbeutung trifft damit die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten.

Es ist deshalb an der Zeit, dass wir Sorge und Beziehung endlich ins Zentrum unserer Gesellschaft stellen und alle Menschen die Zeit und die Ressourcen zur Verfügung stellen, die für gelingende Sorgebeziehungen notwendig sind.[17] Dafür benötigen wir Veränderung – einen Paradigmenwechsel, ja, eine Care-Revolution.

Der Beitrag basiert auf dem neuen Buch der Autorin „Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit“, das soeben im Verlag Droemer Knaur erschienen ist.

[1] Im deutschsprachigen Raum wurde für dieses Phänomen der Begriff doppelte Vergesellschaftung geprägt. Vgl. Regina Becker-Schmidt, Zur doppelten Vergesellschaftung von Frauen, in: „Gender Politik Online“, 7/2003, S. 1-18, www.fu-berlin.de/sites/gpo.

[2] Laut einer in Australien durchgeführten Umfrage von Gallup aus dem Jahr 2019 sind es in heterosexuellen Partnerschaften auch heute die Frauen, die den Großteil der zu Hause anfallenden Arbeiten übernehmen. Dazu gehören die übliche Hausarbeit wie Kochen und Putzen, aber auch Aktivitäten wie die Planung von Familienunternehmungen und die Kinderbetreuung.

[3] Vgl. dazu: Ellie Slee, Warum Frauen an Weihnachten zusätzliche Emotionsarbeit leisten, www.refinery29.com, 7.12.2020.

[4] Olivia Remes, Carol Brayne, Rianne van der Linde und Louise Lafortune, A systematic review of reviews on the prevalence of anxiety disorders in adult populations, in: „Brain and Behavior“, 6/2016, S. 1-33.

[5] Da-Yee Jeung, Changsoo Kim, Sei-Jin Chang, Emotional Labor and Burnout: A Review of the Literature, in: „Yonsei Medical Journal“, 2/2018, S. 187-193.

[6] Lisbeth Bekkengen, Equal Rights, Different Practices: the Gendered Parental Leave in Sweden. Beitrag zur Konferenz „Women, Work and Health“, Stockholm 2.-5.6.2002.

[7] Siehe etwa die Forschung von Regina Becker-Schmidt, Doppelte Vergesellschaftung von Frauen: Divergenzen und Brückenschläge zwischen Privat- und Erwerbsleben, in: Ruth Becker und Beate Kortendiek (Hg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden 2010, S. 65-74.

[8] Allison Daminger, The Cognitive Dimension of Household Labor, in: „American Sociological Review“, 4/2019, S. 609-633.

[9] Sarah Speck, „Unterschiedliche Sauberkeitsstandards“. Wie heterosexuelle Paare sich über die ungleich verteilte Hausarbeit belügen, www.akweb.de, 19.4.2016.

[10] Gender Care Gap – ein Indikator für die Gleichstellung, in: Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Eine Zusammenfassung, www.bmfsfj.de, 24.1.2019.

[11] Vgl. dazu etwa Francis Seek, Care trans_formieren. Eine ethnographische Studie zu trans und nicht-binärer Sorgearbeit, Bielefeld 2021.

[12] Tove Soiland, Es geht um CARE? Sprechen wir doch lieber von der Mutter, www.frauenhetz.jetzt, 22.5.2017.

[13] Iris von Roten, Frauen im Laufgitter. Offene Worte zur Stellung der Frau, Zürich 1991.

[14] Vgl. dazu etwa die Analysen von Silvia Federici, Mascha Madörin, Tove Soiland, Ina Praetorius, Antje Schrupp, Gabriele Winker, Roswitha Scholz, Ursula Beer, Paula Irene Villa, Nancy Fraser und Veronica Gago.

[15] Vgl. dazu etwa Roswitha Scholz, Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorien und die post-moderne Metamorphose des Kapitals, Bad Honnef 2011; Marilyn Waring, If Women Counted. A New Feminist Economics, San Francisco 1988 sowie Silvia Federici, Jenseits unserer Haut. Körper als umkämpfter Ort im Kapitalismus. Münster 2020.

[16] Oxfam Deutschland e.V., Im Schatten der Profite. Wie die systematische Abwertung von Hausarbeit, Pflege und Fürsorge Ungleichheit schafft und vertieft, www.oxfam.de, Januar 2020.

[17] Gabriele Winker, Solidarische Care-Ökonomie – Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima, Bielefeld 2021; zum Thema Care-Revolution vgl. www.care-revolution.org.

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