Ausgabe April 2025

»Your body, my choice«: Kampf um Abtreibung in den USA

Demonstrierende beim Women's March in Los Angeles, 8.3.2025 (IMAGO / ZUMA Press Wire / Ringo Chiu)

Bild: Demonstrierende beim Women's March in Los Angeles, 8.3.2025 (IMAGO / ZUMA Press Wire / Ringo Chiu)

Kurz bestand nach dem Scheitern der Ampelregierung die historische Chance, Abtreibungen in Deutschland in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zu legalisieren – so sah es ein parteiübergreifender Gesetzesentwurf von Abgeordneten der SPD, Grünen und Linken vor, den diese Mitte November vergangenen Jahres in den Bundestag einbrachten. Schwangerschaftsabbrüche, die derzeit in Deutschland rechtswidrig sind, aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleiben, sollten laut dem Entwurf nicht länger im Strafgesetzbuch geregelt und in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft grundsätzlich legal sein. Doch aufgrund der Blockadehaltung der FDP, die bereits während ihrer Zeit in der Regierung bei einer Neuregelung des Abtreibungsrechts auf die Bremse getreten hatte, gelangte dieser Entwurf nicht mehr vor der Bundestagswahl am 23. Februar zur Abstimmung. Damit hat die so „freiheitsliebende“ FDP die vorerst letzte Chance vertan, die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen und ungewollt schwangeren Menschen in Deutschland zu stärken. Denn angesichts der neuen Kräfteverhältnisse im Parlament ist eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland nun auf absehbare Zeit vom Tisch – und das, obwohl sich eine große Mehrheit hierzulande seit Jahren für legale Abbrüche ausspricht und die von der Ampelregierung eingesetzte interdisziplinäre Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung zu dem Schluss kam, dass das grundsätzliche Abtreibungsverbot in Deutschland aus völker-, verfassungs- und europarechtlicher Perspektive „nicht haltbar“ sei.[1] 

Vor allem in ländlichen Gegenden und in den südlichen Bundesländern sehen sich ungewollt Schwangere hierzulande mit erheblichen Informations- und Versorgungslücken konfrontiert. Betroffene müssen mitunter weite Wege auf sich nehmen, um eine behandelnde Ärztin zu finden. Hinzu kommt, dass immer weniger Ärzt:innen die Abbrüche überhaupt vornehmen, in der medizinischen Ausbildung werden diese noch immer nicht regulär gelehrt. Über allem schwebt bei den Gegnern einer Liberalisierung der Vorwurf, Frauen würden sich leichtfertig für die Beendigung einer ungewollten Schwangerschaft entscheiden. Dabei zeigt sich weltweit: Auch in Ländern, in denen Abbrüche legal sind, gibt es keine signifikant höheren Abtreibungsraten. 

Angesichts der wachsenden Macht der AfD ist die Blockade des äußerst moderaten Entwurfs durch die FDP, der die Beratungspflicht beibehalten, aber die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Abbruch abgeschafft hätte, überaus fahrlässig und droht, zum negativen Wendepunkt für das Selbststimmungsrecht von Frauen in Deutschland zu werden. Denn Antifeminismus sowie der Kampf gegen reproduktive Selbstbestimmung sind weltweit Bestandteil der rechten Agenda. Dort, wo rechte Parteien an die Macht kommen, geraten reproduktive Rechte massiv unter Druck – mit teils fatalen Folgen für die Betroffenen. Auch die AfD fordert bereits jetzt gesetzliche Korrekturen, um einen „wirksamen Lebensschutz zu gewährleisten“[2], soziale und familiäre Gründe für eine Abtreibung sollen „die Ausnahme bleiben“. 

Eine beispiellose Krise der Frauengesundheit

Was Schwangeren bei einer Verschärfung des Abtreibungsrechts droht, zeigt sich seit einigen Jahren in den USA. Während seiner ersten Präsidentschaft hatte Donald Trump dort durch die Ernennung dreier erzkonservativer Bundesrichter:innen den Weg dafür geebnet, dass der Oberste Gerichtshof 2022 die Grundsatzentscheidung zum Schwangerschaftsabbruch Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 aufhob und damit das landesweite Recht auf Abtreibung kippte. In zahlreichen republikanisch regierten Bundesstaaten traten daraufhin sogenannte Trigger Laws in Kraft – zuvor verabschiedete Gesetze, die den Schwangerschaftsabbruch verbieten oder stark einschränken. In zwölf von 50 Bundesstaaten sind Abtreibungen seither unter fast allen Umständen verboten, in vier gilt ein Verbot nach sechs Schwangerschaftswochen – ein Zeitpunkt, an dem viele Frauen noch gar nichts von ihrer Schwangerschaft wissen.[3] Mit Blick auf die gesundheitliche Versorgung Schwangerer ist damit eine zerklüftete Landschaft entstanden, in welcher der Wohnort einer Frau darüber entscheidet, ob, wo, wann und wie sie eine Abtreibung erhalten kann und ob sie bei Komplikationen oder einer Fehlgeburt angemessen versorgt wird. Diese Situation zwingt Frauen in Bundesstaaten mit restriktiven Gesetzen dazu, für einen Abbruch in einen liberalen Bundesstaat zu reisen, sich Abtreibungsmedikamente von telemedizinischen Anbietern in liberalen Bundesstaaten verschreiben und per Post zuschicken zu lassen, oder die Schwangerschaft ungewollt auszutragen.

Auch wenn die Auswirkungen dessen noch nicht in Gänze erforscht sind, zeigt sich schon jetzt: In den Bundesstaaten mit Verboten haben diese zu einer beispiellosen Gesundheitskrise geführt. Schon kurz nach der historischen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Juni 2022 tauchten im ganzen Land wahre Horrorgeschichten von Frauen auf, denen eine Abtreibung verweigert wurde, obwohl sich ihr Gesundheitszustand drastisch verschlechterte: „In Texas konnte eine Frau, deren Fruchtblase in der 18. Woche platzte – viel zu früh, als dass ihr Baby außerhalb des Mutterleibs überleben könnte – erst dann eine Abtreibung vornehmen lassen, als sie septisch wurde. Sie verbrachte drei Tage auf der Intensivstation, und einer ihrer Eileiter verschloss sich aufgrund von Vernarbungen dauerhaft. In Tennessee verlor eine Frau vier Liter Blut, als sie ihren toten Fötus im Wartebereich eines Krankenhauses zur Welt brachte. In Oklahoma wurde eine blutende Frau mit einer nicht lebensfähigen Schwangerschaft von drei verschiedenen Krankenhäusern abgewiesen. In einem wurde ihr gesagt, sie könne auf dem Parkplatz warten, bis ihr Zustand lebensbedrohlich würde“, schreibt die Journalistin Sarah Zhang in einer eindrücklichen Reportage im Magazin „The Atlantic“.[4] Dabei kommt es immer wieder auch zu Todesfällen, die unter anderen rechtlichen Umständen hätten verhindert werden können. In Georgia starben infolge des dortigen Verbots mindestens zwei Frauen aufgrund verzögerter Behandlungen. Und auch in Texas verloren im Herbst 2024 mindestens zwei junge Frauen ihr Leben, weil Ärzt:innen sich weigerten, die sterbenden Föten aus dem Uterus der Schwangeren zu entfernen, solange deren Herz noch schlug. 

Das ungeborene Leben steht über dem Leben der Frau

In dem mit 31 Millionen Einwohner:innen zweitbevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Texas gilt eines der striktesten Abreibungsgesetze der USA – Abbrüche sind hier bis auf wenige Ausnahmen verboten und nicht einmal dann erlaubt, wenn der Fötus, etwa aufgrund eines schweren Herzfehlers, keine Überlebenschancen hat; für die widerrechtliche Durchführung des Eingriffs drohen bis zu 99 Jahre Haft.[5] Das Verbot sieht zwar eine Ausnahme für „medizinische Notfälle“ vor, aber es ist unklar, wie ein solcher Notfall definiert wird. Viele texanische Ärzt:innen zögern deshalb den nötigen Eingriff hinaus, mit gravierenden Folgen: Seit Inkrafttreten des Gesetzes ist die Rate von Frauen, die aufgrund einer Fehlgeburt ins Krankenhaus eingeliefert wurden und dort eine lebensbedrohliche Sepsis entwickelten, um 50 Prozent gestiegen, wie eine kürzlich erschienene Untersuchung von ProPublica zeigt.[6] Zugleich tun Bundesstaaten mit Abtreibungsverboten kaum etwas, um deren Auswirkungen auf die Müttersterblichkeit zu erforschen, oft hängen sie Jahre mit ihren Reviews hinterher.[7] Dabei zeigen Studien, dass Staaten mit restriktiven Gesetzen eine deutlich höhere Mütter- und auch Kindersterblichkeit aufweisen.[8] In Texas etwa stieg die Müttersterblichkeit zwischen 2019 und 2023 um 33 Prozent, während sie in den USA insgesamt um 7,5 Prozent sank. Die Kindersterblichkeit stieg 2023 um fast 13 Prozent – vor allem aufgrund angeborener Anomalien –, im Vergleich zu einem Anstieg von 1,8 Prozent im Rest des Landes.[9] 

Die strengen Abtreibungsgesetze stürzen Ärzt:innen in ein untragbares moralisches Dilemma: Ist ein Abbruch nur dann erlaubt, wenn das Leben der Mutter akut in Gefahr ist – wobei sich der Zeitpunkt in der Praxis kaum genau definieren lässt –, müssen sie entscheiden, ob sie die früher in Notfällen als medizinischer Standard geltende Abtreibung anbieten und damit sich und ihr Team der Gefahr einer jahrelangen Gefängnisstrafe aussetzen, oder ob sie abwarten, bis sich der Zustand der Patientin derart verschlechtert, dass sie zu sterben droht und sie ihr möglicherweise nicht mehr helfen können. Viele Ärzt:innen wandern aufgrund dieser für sie psychisch extrem belastenden Situation aus den „roten“ Bundesstaaten mit restriktiven Regeln ab, andere lassen sich gar nicht erst dort nieder. Im ländlichen Idaho etwa sind infolge des Verbots mehr als die Hälfte der ohnehin nur neun Fachärzt:innen für Hochrisikoschwangerschaften weggezogen, mehrere Entbindungsstationen mussten aufgrund der Abwanderung von mindestens einem Fünftel der weiteren, in dem Bundesstaat praktizierenden Gynäkolog:innen und Geburtshelfer:innen schließen.[10] In über einem Drittel der US-Landkreise sind so regelrechte „Versorgungswüsten der Geburtshilfe“ entstanden.[11] 

Angesichts dieser dramatischen Situation avancierte Abtreibung zu einem zentralen Thema im US-Wahlkampf. Doch obwohl eine Mehrheit von 60 Prozent der US-Amerikaner:innen sich in Umfragen für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ausspricht – mehr als vor dem Ende von Roe v. Wade –, verhalf zumindest ein Teil dieser Mehrheit am 5. November 2024 jenem Kandidaten zum Sieg, dem die Rechtsverschärfungen maßgeblich zuzuschreiben sind. Womöglich gaben sie Trump auch deshalb ihre Stimme, weil dieser seine Rhetorik in der Abtreibungsfrage im Wahlkampf zuletzt gemäßigt hatte. So versprach er nach langem Herumlavieren, kein nationales Abtreibungsverbot zu unterzeichnen, sollte es auf seinem Schreibtisch landen. Ein solches war allerdings ohnehin nie Priorität der Antiabtreibungsbewegung, da ein nationales Verbot im Kongress ohne die Zustimmung der Demokraten aktuell nicht durchsetzbar wäre. Trump argumentierte stattdessen, die Entscheidung über die Abtreibungsfrage solle den Bundesstaaten überlassen werden. 

Tatsächlich haben in parallel zur Präsidentschaftswahl im November abgehaltenen Referenden Mehrheiten in sieben von zehn Bundesstaaten für Maßnahmen votiert, die das Recht auf Abtreibung in den Landesverfassungen verankern und die Rechte von Schwangeren stärken. In drei dagegen scheiterten entsprechende Vorschläge – darunter in Florida, wo zwar 57 Prozent der Wählenden für liberalere Abtreibungsrechte stimmten, aber die hier geltende hohe gesetzliche Hürde von 60 Prozent der Stimmen nicht überschritten wurde. 

Müssen sich also Frauen in jenen Bundesstaaten, die aktuell über ein liberales Abtreibungsrecht verfügen, künftig keine Sorgen über ihre medizinische Versorgung machen, wenn sie schwanger werden? Die Antwort lautet: doch, durchaus. Denn selbst wenn Trump sein im Wahlkampf gemäßigtes Image in Sachen Abtreibung aufrechterhalten wollte, um seine Wähler:innen nicht zu verschrecken, erwarten Expert:innen, dass die Regierung den Zugang zu Abtreibungen landesweit einschränken wird – das „Project 2025“ der rechtskonservativen Heritage Foundation dürfte dabei als Blaupause dienen. Dieses listet diverse Strategien auf, mit denen die Regierung den Zugang zu Abtreibungen weiter einschränken könnte. Trump hat sich im Wahlkampf zwar von dem Papier distanziert, nach der Wahl aber viele Vordenker des Manifests, das zugleich ein detaillierter Plan zum autoritären Umbau der US-Demokratie ist, in sein Kabinett geholt – darunter den radikalen Abtreibungsgegner und Co-Autor des Project 2025, Russel Vought. 

Auf dem „Marsch für das Leben“ der „Pro-Life“-Bewegung gegen Abtreibung Ende Januar in Washington D.C. versicherte Vizepräsident JD Vance denn auch, Trump werde der „familien- und Pro-Life-freundlichste Präsident unserer Zeit“ sein.[12] Der US-Präsident selbst versprach in einer Videobotschaft an die Demonstrierenden, in seiner zweiten Amtszeit die „historischen Errungenschaften“ der Abtreibungsgegner zu schützen.

Keine Informationen und keine Kostenerstattung mehr

Tatsächlich war bereits wenige Stunden nach seinem Amtsantritt am 20. Januar eine von der Biden-Regierung eingerichtete Webseite, die über reproduktive Gesundheit und den Zugang zu Abtreibungen informierte, nicht mehr abrufbar. Auch die Webseite der Gesundheitsbehörde ist mittlerweile von entsprechenden Informationen aus der Zeit der Biden-Regierung „gereinigt“ worden.[13] Mit einem Dekret begnadigte Trump zudem knapp zwei Dutzend verurteilte Antiabtreibungsaktivist:innen, die in Haft saßen, weil sie die Türen von Abtreibungskliniken blockiert, Klinikpersonal und Schwangere bedroht oder attackiert hatten. Das Justizministerium ließ verlauten, dass es das Gesetz, das Patient:innen und Klinikpersonal vor Gewalt und Belästigung schützen soll, fortan nicht mehr durchsetzen will.

Daneben hob Trump zwei Dekrete seines Vorgängers auf, die den landesweiten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen auch nach dem Ende von Roe v. Wade sicherstellen sollten. Diese ermöglichten es Frauen unter anderem, für eine Abtreibung in einen Bundesstaat mit liberaleren Vorschriften zu reisen und sich die Kosten dafür durch das mit Bundesmitteln finanzierte Medicaid-Programm erstatten zu lassen. Damit ist fortan Schluss: Steuergelder des Bundes dürfen Trumps Dekret zufolge nun nicht mehr zur Finanzierung und Förderung von Abtreibungen verwendet werden. Bereits in seiner ersten Amtszeit verbot Trump mittels der „Domestic Gag Rule“ Kliniken, die Bundesgelder aus einem Programm für einkommensschwache Menschen erhielten, Abtreibungsdienste anzubieten oder darüber zu informieren.

Auch außenpolitisch setzt Trump diese Linie durch. Seinen Außenminister Marco Rubio beauftragte er, die seit 1984 von Republikanern verfolgte (und von demokratisch geführten US-Regierungen regelmäßig außer Kraft gesetzte) „Mexiko City-Politik“[14] wieder einzuführen. Diese verhindert, dass US-Hilfsgelder an ausländische Organisationen fließen, wenn sie Abtreibungen anbieten, darüber informieren oder sich politisch für diese einsetzen, selbst wenn sie diese Aktivitäten aus eigenen Mitteln finanzieren.[15] Wo aber der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen nicht möglich ist, greifen ungewollt Schwangere oft auf unsichere Methoden zurück – eine der Hauptursachen für Müttersterblichkeit weltweit. Auch die von Trump eingeleitete Zerschlagung der US-Entwicklungsagentur USAID, deren Programm zur Familienplanung Verhütungsmittel, Gesundsversorgung für Schwangere und HIV-Behandlung in armen Ländern bereitstellt, dürfte gravierende Folgen für die reproduktive Gesundheit von Frauen und Mädchen in den betroffenen Ländern haben. Denn damit ist schon jetzt absehbar, dass hunderttausende ungewollt Schwangere unzureichend betreut werden. Zugleich schlossen sich die USA erneut der „Genfer Konsenserklärung“ an, ein von der ersten Trump-Administration initiiertes und von 30 zumeist autoritären Regierungen unterzeichnetes politisches Statement, das sich gegen das Recht auf Abtreibung richtet und die traditionelle Familie stärken will.

Abtreibungspillen im Visier

Während diese ersten Maßnahmen vor allem restaurativer Natur sind und die Politik der Biden-Regierung aufheben, zeichnet sich bereits jetzt ab, welche Schritte die Trump-Administration darüber hinaus unternehmen könnte, um den Zugang zu Abtreibungen landesweit einzuschränken – ganz ohne ein nationales Verbot einführen zu müssen. Trump habe ihn angewiesen, die Sicherheit des Abtreibungsmedikaments Mifepristone zu überprüfen, sagte Trumps Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. während seiner Senatsanhörung Ende Januar. Dabei handelt es sich um ein durch zahlreiche Studien als sicher eingestuftes und seit Jahrzehnten für Abbrüche im ersten Trimester einer Schwangerschaft eingesetztes Medikament – zwei Drittel aller Abtreibungen in den USA werden inzwischen mit Hilfe einer Kombination der Präparate Mifepristone und Misoprostol durchgeführt. 

Das macht sie zu einem Hauptziel der Antiabtreibungsbewegung, die die Gesundheitsverträglichkeit von Mifepristone schon lange durch fragwürdige Studien in Zweifel zieht. Sie argumentiert, das Medikament, welches das schwangerschaftserhaltende Hormon Progesteron blockiert, stelle ein Gesundheitsrisiko für Frauen und Mädchen dar. Wie Autoren des Project 2025 fordern Pro-Life-Organisationen, die Zulassung des Medikaments aufzuheben oder den Zugang zu ihm stark zu beschränken. Zuständig dafür ist die Lebens- und Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA), als deren Leiter Trump den Onkologen und Abtreibungsgegner Marty Makary eingesetzt hat. Dieser könnte beispielsweise vorschreiben, dass sich Patientinnen wieder persönlich bei einem Arzt vorstellen müssen, um die Abtreibungspille zu erhalten. Die Biden-Administration hatte im Zuge der Coronapandemie erlaubt, dass telemedizinische Anbieter das Medikament aus der Ferne verschreiben und per Post versenden können – eine Lockerung, die nach dem Ende von Roe v. Wade verstetigt wurde, um Frauen in Staaten mit restriktiver Gesetzgebung den Zugang zu den Medikamenten weiter zu ermöglichen. Ein Ende dieser Erleichterungen, die die Zahl der Abtreibungen in den USA trotz Verboten hat ansteigen lassen, würde die reproduktive Selbstbestimmung von Millionen von Frauen erheblich beschneiden.[16] 

Noch gravierendere Folgen hätte die ebenfalls im Project 2025 propagierte Wiederbelebung des sogenannten Comstock Acts, ein Bundesgesetz aus dem 19. Jahrhundert, das den Versand von „obszönem Material“ per Post verbietet, darunter auch Artikel, die zur Herbeiführung einer Abtreibung bestimmt sind. Sollte das von Pam Bondi – einer Abtreibungsgegnerin – geführte Justizministerium dieses Gesetz aktivieren, könnte es damit den Versand von Abtreibungspillen und im schlimmsten Fall auch von medizinischen Instrumenten für operative Abbrüche US-weit kriminalisieren. Davon wären dann selbst Kliniken betroffen.

Machtkampf der Bundesstaaten 

Aktuell führt die landesweit uneinheitliche Rechtslage dazu, dass Bundesstaaten mit Abtreibungsverboten gerichtlich gegen Ärzt:innen aus liberalen Staaten vorgehen, die Abtreibungspillen über Staatsgrenzen hinweg versenden. Weil sie einer Frau aus Texas und der Mutter einer minderjährigen Schwangeren aus Louisiana Abtreibungsmedikamente geschickt hat, muss sich eine Ärztin aus New York derzeit gleich in zwei Gerichtsprozessen verantworten – Louisiana ersucht gar ihre Auslieferung und droht mit Verhaftung, sollte sie die Grenzen ihres Bundesstaats verlassen.[17] New York wiederum hat, wie 17 weitere Bundesstaaten, ein „Shield Law“ verabschiedet, um seine Ärzt:innen vor derartiger Strafverfolgung zu schützen. Die Verfahren dürften sich hinziehen und könnten am Ende vor dem Obersten Gerichtshof landen – und in diesem wird Trump in den nächsten Jahren die rechtskonservative Mehrheit durch die Ernennung neuer Richter weiter ausbauen. 

Unterdessen bestätigte sich Anfang März eine weitere Sorge der Pro-Choice-Bewegung. Das Justizministerium ließ eine noch unter der Biden-Administration angestrengte Klage gegen Idaho fallen, in der diese argumentiert hatte, das dort geltende strenge Abtreibungsverbot verstoße gegen ein Bundesgesetz, das Krankenhäuser zur Stabilisierung von Patient:innen in lebensbedrohlichen Situationen verpflichtet – auch mittels Abtreibungen. Idaho und Texas hatten sich vehement gegen diese Auslegung des Gesetzes gewehrt. Die Botschaft der jüngsten Entscheidung dürfte auch in anderen Bundesstaaten mit restriktiver Gesetzeslage vernommen werden: Auch sie müssen fortan keine Klagen durch das Justizministerium wegen einer Verletzung des Emergency Medical Treatment and Labor Act mehr befürchten. Hier zeigt sich einmal mehr, wie gering Abtreibungsgegner und die Trump-Regierung das Leben von Frauen gegenüber jenem von Ungeborenen gewichten – selbst wenn diese nicht lebensfähig sind oder die Fortführung der Schwangerschaft das Leben und die Gesundheit der Schwangeren bedroht. Der Slogan des rechtsextremen Influencers Nick Fuentes, „Your body, my choice”, mit dem dieser Trumps Wahlsieg feierte, erhält vor diesem Hintergrund eine für Frauen lebensbedrohliche Dimension. 

Die Antiabtreibungsbewegung ist zu großen Teilen der Ansicht, dass das menschliche Leben mit der Empfängnis beginnt und Embryonen und Föten entsprechenden Schutz genießen sollten. Nicht nur Abtreibungen sind nach dieser Auffassung Mord, sondern auch die bei der Behandlung zur künstlichen Befruchtung übliche Zerstörung überzähliger Embryos, weshalb radikale Abtreibungsgegner dieses Verfahren ablehnen. Diese Auffassung kommt auch im Rechtskonzept der fötalen Persönlichkeit zum Ausdruck, das die Bewegung gezielt in offiziellen Regierungsdokumenten zu platzieren versucht. Tatsächlich findet es sich bereits in Trumps Anti-Transgender-Dekret wieder, dem zufolge in den USA nur noch zwei Geschlechter anerkannt werden: Mann und Frau. Entsprechend alarmiert zeigte sich die Pro-Choice-Bewegung. Denn sollte sich das Konzept langfristig durchsetzen und würde es eines Tages Verfassungsrang erhalten, wofür die Antiabtreibungsbewegung sich schon lange einsetzt, hätte das ein US-weites Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ab der Empfängnis zur Folge.

Allerdings steht der Ansatz der fötalen Persönlichkeit in Konflikt mit einem anderen Vorhaben der US-Regierung: den Zugang zu künstlicher Befruchtung zu erleichtern. Diese ist in den USA für zwei Prozent der Geburten verantwortlich und wird von einer Mehrheit der Bevölkerung, darunter auch viele Republikaner, befürwortet. Bereits im Wahlkampf hatte Trump versprochen, dass Versicherungen die hohen Kosten solcher Behandlungen künftig abdecken würden. Mitte Februar unterzeichnete er ein – weitgehend symbolisches – Dekret zur Ausweitung des Zugangs zu künstlicher Befruchtung, das dieses Versprechen zwar nicht erfüllt, aber dennoch den pronatalistischen Kurs der Regierung unterstreicht. So erklärte Vizepräsident Vance auf dem „Marsch für das Leben“ gegenüber Abtreibungsgegnern Ende Januar, er wolle „mehr Babys in den Vereinigten Staaten von Amerika“. Trump-Berater Elon Musk, der selbst mindestens 13 Kinder mit vier verschiedenen Frauen hat, ist ebenfalls besessen von der Idee, dass sinkende Geburtenraten die amerikanische Gesellschaft bedrohen. In einem Tweet schrieb er Mitte November 2024: „Anstatt die Angst vor der Schwangerschaft zu lehren, sollten wir die Angst vor der Kinderlosigkeit lehren.“[18] Die Trump-Regierung dürfte bei ihren Plänen zur künstlichen Befruchtung indes nur bestimmte Eltern im Blick haben. Queere Menschen, die oft künstliche Befruchtung nutzen, um Kinder zu bekommen, sind sicher ebenso wenig gemeint wie People of Color, die von der Krise der Müttergesundheit ohnehin überproportional betroffen sind. So sterben schwarze Frauen doppelt so häufig an den Folgen einer Schwangerschaft wie der nationale Durchschnitt und dreimal häufiger als weiße Frauen – um nur eine, besonders drastische Zahl zu nennen.[19] 

Fötale Persönlichkeit versus künstliche Befruchtung

Mit seiner Unterstützung künstlicher Befruchtung bringt Trump die radikalen Teile der Pro-Life-Bewegung unweigerlich gegen sich auf. Zwar ist er auf deren Unterstützung nicht mehr in gleicher Weise angewiesen wie noch 2016, aber die Bewegung ist finanzstark, gut vernetzt und verfügt nach wie vor über erheblichen Einfluss auf republikanische Abgeordnete, vor allem in den Bundesstaaten. In sechs von ihnen haben republikanische Abgeordnete mit ihrer Hilfe – bisher nicht mehrheitsfähige – Gesetzesinitiativen vorangetrieben, die Abtreibung als Mord klassifizieren, darunter in Texas und Idaho, in fünf dieser Staaten gilt für Mord die Todesstrafe. Und in Alabama erklärte der dortige Oberste Gerichtshof gefrorene Embryos im vergangenen Jahr zu „extrauterinen Kindern“, woraufhin Anbieter von künstlicher Befruchtung ihre Arbeit in dem Bundesstaat einstellen mussten. 

Die Auseinandersetzungen um diese Fragen werden in den kommenden Jahren an Fahrt aufnehmen und sie haben das Potenzial, die Republikaner zu spalten. Noch ist offen, wer sich dabei durchsetzen wird. Fest steht dagegen: Die Verschärfungen des Abtreibungsrechts der vergangenen Jahre haben schon heute gravierende Folgen für die Gesundheit und das Leben von Frauen, besonders solcher aus einkommensschwachen Gemeinschaften und von People of Color. Und viele Auswirkungen werden erst in einigen Jahren sichtbar werden, wenn etwa der Verlust von Wissen und Erfahrungen durch gestrichene Ausbildungsgänge und Forschungsprogramme, geschlossene Abtreibungskliniken und Entbindungsstationen richtig zum Tragen kommt. 

Doch je mehr sich die Lage verschärft, desto mehr Zuspruch könnte die Pro-Choice-Bewegung erhalten. Darauf zumindest hofft die Bewegung, die sich – wie ihr Gegenstück hierzulande – keineswegs geschlagen gibt. Momentan bleibt ihr allerdings nicht viel anderes übrig, als für die Stärkung der reproduktiven Rechte in den Bundesstaaten zu kämpfen – ein landesweites Recht auf Abtreibung ist mit dem Ende von Roe v. Wade aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Kongress in weite Ferne gerückt. 

[1] Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, bmfsfj.de, April 2024, S. 321.

[2] Vgl. Wahlprogramm der AfD, afd.de.

[3] In drei weiteren gilt ein Verbot nach zwölf bis 18 Wochen. Im Rest des Landes sind Abtreibungen zumeist bis zur Lebensfähigkeit des Fötus, also bis zur 22 oder 24. Schwangerschaftswoche, erlaubt.Tracking Abortion Bans Across the Country, nytimes.com, Updated 19.2.2025.

[4] Sarah Zhang, „That’s Something That You Won’t Recover From as a Doctor“, theatlantic.com, 12.9.2024.

[5] Mitte März wurden in Texas erstmals seit dem Ende von Roe v. Wade eine Hebamme und ihr Mitarbeiter verhaftet und angeklagt, weil sie illegal Abtreibungen vorgenommen haben sollen. 

[6] Lizzie Presser, Andrea Suozzo, Sophie Chou und Kavitha Surana, Texas Banned Abortion. Then Sepsis Rates Soared, propublica.org, 20.2.2025.

[7] Vgl. Kavitha Surana u.a., Are Abortion Bans Across America Causing Deaths? The States That Passed Them Are Doing Little to Find Out, propublica.org, 18.12.2024.

[8] The U.S. Maternal Health Divide: The Limited Maternal Health Services and Worse Outcomes of States Proposing New Abortion Restrictions, commonwealthfund.org, 14.12.2022.

[9] Melody Schreiber, ‚One death is too many’: abortion bans usher in US maternal mortality crisis, theguardian.com, 25.9.2024.

[10] Vgl. Sarah Zhang, a.a.O. 

[11] Clear and Growing Evidence That Dobbs Is Harming Reproductive Health and Freedom, guttmacher.org, 31.5.2024. 

[12] Full Speech: Catholic Vice President JD Vance Speaks at the March for Life 2025, ncregister.com, 24.1.2025.

[13] HHS scrubs reproductive and maternal health information, HIPAA guidelines from webpages, reproductiverights.org, 2.3.2025.

[14] Kritiker:innen bezeichnen diese auch als Global Gag Rule. 

[15] Vgl. dazu auch den Beitrag von Andreas Wulf in dieser Ausgabe. 

[16] Vgl. Rachel Cohen, Why abortion in the US is on the rise, vox.com, 20.5.2024. 

[17] Dies., A New York abortion doctor faces a $100,000 fine in Texas. It’s part of a larger playbook, vox.com, 20.2.2025.

[19] Melody Schreiber, a.a.O.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

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