
Bild: Der russische Präsident Wladimir Putin im Luzhniki-Stadion in Moskau/Russland 18.03.2022 (IMAGO / SNA)
Die am 24. Februar 2022 begonnene russische Invasion der Ukraine wurde umgehend als eine der großen Zäsuren in der Geschichte Europas gedeutet, etwa in der Bundestagsdebatte vom 27. Februar. Und das völlig zu Recht: Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es einen solchen Krieg zwischen selbstständigen Staaten in Europa nicht mehr gegeben. Zwar hat der russische Präsident Wladimir Putin die temporäre Sezession der Republiken Donezk und Lugansk mit der Sezession der jugoslawischen Teilrepubliken und später des Kosovo von Serbien verglichen; aber der 1991 begonnene Jugoslawienkrieg blieb stets ein reiner Bürgerkrieg. Relativ bald wurde freilich klar, dass es der Zentralregierung in Belgrad nicht so sehr um die Erhaltung der staatlichen Einheit ging als um das Herausreißen der von Serben bewohnten Gebiete aus den sich für selbstständig erklärenden Gliedstaaten.
Beide Kriege, der Zerfallskrieg Jugoslawiens wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine, haben allerdings in der Tat etwas zu tun mit dem Auseinanderfallen nicht-demokratisch regierter Vielvölkerstaaten aufgrund teils nationalistischer, teils demokratischer Aspirationen. In dem einen Fall, nämlich dem Jugoslawiens, ging es allerdings darum, dieses Auseinanderfallen zu verhindern, im anderen, dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, geht es Putin darum, das Auseinanderfallen der Sowjetunion, das er bekanntlich als die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts begreift, rückgängig zu machen.