
Bild: »Liberté Egalité Fraternité« am Rathaus in Avignon, 20.8.2016 (falco via pixabay.com)
In der Februar-Ausgabe analysierte der langjährige „Zeit“-Journalist Thomas Assheuer, wie die neue Rechte mit Hilfe der Macht des Mythos immer stärker die gesellschaftliche Hegemonie übernimmt. Dagegen müsse die Linke auf die Kraft der Aufklärung und der Fakten setzen. Im Gegensatz dazu plädiert der Philosoph Josef Früchtl dafür, dass die Linke ihrerseits keinesfalls auf die Kraft des Mythos verzichten könne, ohne an gesellschaftlicher Deutungsmacht zu verlieren.
Der Mythos gehört der politischen Rechten. Das scheint in Stein gemeißelt wie in einem Denkmal aus dem 19. Jahrhundert, jener Zeit, in der, vorangetrieben durch die Romantik, nicht nur der Mythos einen herausgehobenen, ja erhabenen Stellenwert erhält, sondern auch jene Begriffe mit Macht die politische Bühne besetzen, die die Rechte seither ausbeutet: Volk, Nation, Vaterland, organisches Ganzes, Schicksalsgemeinschaft. Dabei ist die Herstellung einer direkten Einheit von Volk und Nation durch die Französische Revolution zunächst ein fundamental demokratischer Akt; es ist „das Volk“, das die Bastille stürmt. Wo eine Einheit ist, ist aber auch Ausgrenzung, und so nehmen die „Volksfeinde“ zu. Von innen wie von außen sieht die Nation die Reinheit des Volkskörpers bedroht, „Säuberungen“, Hinrichtungen und Kriege stehen an. So verändert sich die Bedeutung der Begriffe im Laufe der Geschichte.