Ausgabe Juni 2024

Jenseits von Nationalpazifismus und Militarismus

Plädoyer für eine wirksame Friedenspolitik nach der Zeitenwende

Die Skulptur »Non Violence« des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Reuterswaerd steht als Friedenssymbol seit 1988 vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen. Wie aber kann eine wirksame Friedenspolitik nach der Zeitenwende aussehen? Foto vom 28.9.2013 (IMAGO / photothek / Thomas Koehler)

Bild: Die Skulptur »Non Violence« des schwedischen Künstlers Carl Fredrik Reuterswaerd steht als Friedenssymbol seit 1988 vor dem Hauptsitz der Vereinten Nationen. Wie aber kann eine wirksame Friedenspolitik nach der Zeitenwende aussehen? Foto vom 28.9.2013 (IMAGO / photothek / Thomas Koehler)

Die „Zeitenwende“-Rede des Bundeskanzlers am 27. Februar 2022 war für viele Linke ein Schock. Die Ankündigung eines 100-Mrd.-Sondervermögens für die Bundeswehr und einer dauerhaften Anhebung der Militärausgaben steht für eine radikale Wende deutscher Sicherheitspolitik. Eine auf Entspannung und Abrüstung gerichtete Außenpolitik wurde über Nacht ad acta gelegt.

Die „Zeitenwende“ trifft auf eine Gesellschaft, die sich in ihrer Skepsis gegenüber militärischer Gewalt durch die misslungenen Auslandseinsätze der Bundeswehr bestätigt sehen durfte. Große Teile des linken Spektrums und die Friedensbewegung reagierten daher mit der trotzigen Behauptung, die altbewährten Grundsatzpositionen seien aktueller denn je. Und ja: Es ist in der Tat schwer zu ertragen, dass in der Öffentlichkeit beständig nach noch mehr Waffen und Soldaten gerufen wird und diejenigen, die zu gründlicheren Abwägungsprozessen raten, als naiv verächtlich gemacht und stigmatisiert werden.

Gerade deshalb stellt sich die Frage, wie eine friedenspolitische Positionierung in diesen schwierigen Zeiten aussehen kann. Eine Warnung vorab: Gerade Linke werden dabei Widersprüche aushalten müssen.[1]

Die in Medien und Politikwissenschaft jetzt vorherrschende Position lautet, dass in dieser neuen „Welt(un)ordnung“ kein Platz mehr für romantische Vorstellungen einer wirkmächtigen UNO und einer europäischen Friedensarchitektur sei.

»Blätter«-Ausgabe 6/2024

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.

Was der Westen nicht wissen will

von Steffen Vogel

Es ist eine von jenen scheinbar unwichtigen Nachrichten, die rückblickend wie ein übersehenes Vorzeichen wirken können: Anfang Mai erschien in Russland ein Buch, zu dem Außenminister Sergej Lawrow ein Vorwort beisteuerte. Die These des von Regimeseite derart gewürdigten Werkes: Eine litauische Nation und Sprache gebe es nicht.

Europas Schisma: Abschied von der US-Schutzmacht?

von Johannes Varwick

Angesichts des Rückzugs der USA aus Europa plädierten in den vergangenen Ausgaben diverse Autoren für die militärische Stärkung Deutschlands wie der EU gegen das expansive, revisionistische Russland unter Putin. Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick hinterfragt die dieser Position zugrundeliegende Bedrohungsanalyse.