Zum Tod von Oskar Negt

Bild: Oskar Reinhard Negt war ein deutscher Soziologe und Sozialphilosoph. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit wandte sich Negt auch immer wieder tagespolitischen Themen zu. Er starb am 2. Februar 2024 in Hannover, 15.6.2013 (IMAGO / Funke Foto Services)
Wer Anfang der 1970er Jahre in Hannover studierte und mit dem vorgefundenen Zustand der Welt irgendwie nicht einverstanden war, kam am theoretischen Epizentrum der lokalen Studentenszene nicht vorbei: der Fakultät V in der Wunstorfer Straße. Dort waren die Studierenden ihrem eigenen politischen Selbstverständnis nach entweder links oder noch weiter links – oder ganz einfach orientierungslos verwirrt. Für mich, der ich mit der Abkürzung KBW völlig selbstverständlich das „Katholische Bildungswerk“ im Bistum Münster verband und nicht eine maoistische Kaderorganisation, die sich „Kommunistischer Bund Westdeutschland“ nannte, war die erste Zeit in der Fakultät V noch Mark, Beine und Seele erschütternd. In den Flugblättern der unübersichtlich vielen linken Gruppen wurden rund um die Uhr die Sozialdemokratie und der Reformismus entlarvt, während ich gerade erst unter Anstrengungen die Existenz von anderen Parteien außerhalb der CDU entdeckte. Reformismus hin oder her – ich musste erst einmal die SPD als eine auch für Katholiken wählbare Partei zur Kenntnis nehmen.
Von der Frankfurter Schule, ihren Ideen und Zielen hatte ich während meiner Schulzeit an den verdämmernden Rändern des Münsterländer Mittelalters nichts gelesen oder gehört.