Ausgabe Mai 2024

Putins dritte Front

Der neu-alte Ethnonationalismus und die Destabilisierung des Balkans

Militärs am »Nationalfeiertag« der Republika Srpska. Das Datum ist historisch belastet und sorgt seit Jahren für Streit. Foto vom 9.1.2021 (IMAGO / Pixsell / Dejan Rakita)

Bild: Militärs am »Nationalfeiertag« der Republika Srpska. Das Datum ist historisch belastet und sorgt seit Jahren für Streit. Foto vom 9.1.2021 (IMAGO / Pixsell / Dejan Rakita)

Für den bosnischen Serben war es zwar nicht das erste Treffen mit Wladimir Putin, aber ein besonderes: Als Milorad Dodik, Präsident des serbisch dominierten Landesteils von Bosnien und Herzegowina, im Februar mit dem russischen Präsidenten in Kazan zusammentraf, gab es zu dem öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzten Händedruck auch eine hohe Auszeichnung für den Gast. Putin überreichte Dodik den Aleksander-Newski-Orden – für die „Vertiefung der Partnerschaft“ zwischen Moskau und der Republika Srpska.[1] Die Ehrung für den bosnisch-serbischen Nationalisten kommt nicht von ungefähr. Dodik agiert auf dem Balkan mit immer größerer Intensität als pro-russischer Troublemaker, der bereit ist, die dritte Front des Kreml zur Destabilisierung Europas zu eröffnen – nach der Ukraine und dem Baltikum, dessen russische Minderheiten Moskau zu instrumentalisieren versucht. Seit Jahren propagiert Dodik die Loslösung der serbisch dominierten Republika Srpska aus dem bosnischen Staatsverband. Gezielt unterminiert er staatliche Institutionen, um Bosnien – dem die EU im März Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt hat – als multiethnischen Staat zu zerstören. So sorgte Dodik vergangenes Jahr dafür, dass in dem von ihm regierten Landesteil die Zuständigkeit des bosnischen Verfassungsgerichts infrage gestellt wurde.

»Blätter«-Ausgabe 5/2024

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.

Was der Westen nicht wissen will

von Steffen Vogel

Es ist eine von jenen scheinbar unwichtigen Nachrichten, die rückblickend wie ein übersehenes Vorzeichen wirken können: Anfang Mai erschien in Russland ein Buch, zu dem Außenminister Sergej Lawrow ein Vorwort beisteuerte. Die These des von Regimeseite derart gewürdigten Werkes: Eine litauische Nation und Sprache gebe es nicht.

Europas Schisma: Abschied von der US-Schutzmacht?

von Johannes Varwick

Angesichts des Rückzugs der USA aus Europa plädierten in den vergangenen Ausgaben diverse Autoren für die militärische Stärkung Deutschlands wie der EU gegen das expansive, revisionistische Russland unter Putin. Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick hinterfragt die dieser Position zugrundeliegende Bedrohungsanalyse.