Die Dezemberwahlen könnten die letzten der Bundesrepublik sein, schrieben wir im Märzheft. Im Eiltempo des Anschlußgeschehens ist nun auch dieser erste bundesdeutsche Urnengang nach der Einleitung des Vereinigungsprozesses zur Disposition gestellt worden. Der für die Bonner Koalition enttäuschende Wahlausgang in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gibt solchem wahlpolitischen Putschismus neuen Auftrieb. Wenn schon gewählt werden soll, dann bitteschön - gleich gesamtdeutsch, lautet die Devise. Die einzige Unwägbarkeit, so scheint es, liegt in der Kapitulationsbereitschaft der DDR; und eben diese ist für die Bonner nicht so ganz präzise auszumachen. Und weil das so ist, versucht man dieser Tage, eine Datierung der Staats-Übergabe noch in den Staatsvertrag hineinzupressen... Seit in der DDR das geschehen ist, was man hierzulande über Jahrzehnte verlangt hatte, häufen sich die mißgünstigen Töne.
Denn kaum waren die Volkskammerwahlen vorbei und eine demokratisch legitimierte Regierung gebildet, beargwöhnte man in den westdeutschen Verlautbarungen eine plötzlich drüben erwachende "Freude am Gestalten". Kaum begann die DDR-Regierung, in den Gesprächen über den Staatsvertrag eigene Vorstellungen zu formulieren, gar Alternativkonzepte zur Sprache zu bringen, war von Anmaßung die Rede.