I
Die Zeiten können für Kuba eigentlich kaum noch schwieriger werden. Die kubanische Gesellschaft durchlebt heute die schlimmste Krise ihrer Geschichte. Eine Notzeit, die in den Augen der Hauptakteure selbst die Härte der Befreiungskriege von 1868-1878 und 1895-1898 genauso wie die Entbehrungen des Guerillakampfes von 1956-1959 zu einigermaßen erträglichen Bürden verblassen läßt 1). Die Kubaner seien heute stärker auf die Probe gestellt als je zuvor, hieß es schon Ende 1990, die Herausforderungen an die kubanische Gesellschaft ohne Parallele. Bereits im August 1990 hatte Fidel Castro den Beginn einer "Sonderperiode in Friedenszeiten" proklamiert. Ein Ausdruck, den man durchaus als "Euphemismus für einen ökonomischen Notstand" ansehen kann 2).
Kuba hatte sich auf eine "Sonderperiode in Kriegszeiten" eingestellt: auf eine totale Seeblockade durch die USA und die Notwendigkeit, sie zu überstehen. Gegen die "Blockade" ganz anderer Art, das Ausbleiben lebenswichtiger Nahrungsmittel- und anderer Lieferungen aus den Ländern des früheren "Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW) nach dem Zusammenbruch des "realen Sozialismus" war man weniger gut gewappnet.