Ein gewisses Skandalaufkommen, das bei konservativen Politikern fast schon als selbstverständlich betrachtet wird, können sich sozialdemokratische Politiker aufgrund ihrer Wählerklientel noch lange nicht leisten. Hier genügen schon vergleichsweise geringfügige Anlässe, um politische Konsequenzen zu erzwingen, womit die wissentliche Falschaussage Engholms vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß keineswegs heruntergespielt werden soll. Die "7-Tage-Lüge" in Verbindung mit seinem Image der verkörperten Glaubwürdigkeit diskreditierte Björn Engholm denn auch besonders schwer, wie der dem kometenhaften Aufstieg folgende, ebenso rasche Popularitätsverlust eindrucksvoll belegt.
In seinem Fall ist besonders tragisch, daß so das Opfer der Barschel-Machenschaften nachträglich zum Mittäter stilisiert wurde. Mit dem Rücktritt des Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten befindet sich die SPD wieder einmal in einer schweren Führungskrise. Einige Kommentatoren sprechen gar von der tiefsten Krise der Partei in ihrer Nachkriegsgeschichte. Und in der Tat sollte der Umfang der bestehenden Probleme nicht unterschätzt werden. Die Zukunft der sozialdemokratischen Partei insgesamt steht zur Disposition. Verantwortlich ist hierfür allerdings weniger der Rücktritt Engholms, als vielmehr seine Politik der vergangenen Jahre.