Ausgabe Juni 1993

Den Gegensatz von Demokratie und Nation überwinden

Stellungnahmen zum Thema "Deutschland begründen" (II)

Die gegenwärtige Situation in Deutschland muß auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte diskutiert werden. Geradezu charakteristisch für die deutsche Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert ist, daß es den Deutschen - u.a. angesichts der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in Politik, Gesellschaft und Kultur - nur bedingt gelang, eine tragfähige politische Kultur zu entwickeln, was etatistische und andere auf forcierte Integration zielende Politiken unmittelbar oder mittelbar gefördert hat. Angesichts des fragmentarischen Charakters politischer Kultur war es in der Regel nicht möglich, einen ideellen Konsens über die politische Ordnung und ihre Begründung zu erzielen. Die gegenwärtige Situation, die durch den Zusammenschluß zweier sehr unterschiedlicher Gesellschaften entstanden ist, ist insofern nicht völlig neuartig: es ist offenbar schwer, eine für die gesamte Gesellschaft tragfähige ideelle Basis zu finden. Über diese gilt es in der Tat zu diskutieren.

I

Eine wesentliche Basis für eine deutsch-deutsche Verständigung könnte das Bewußtsein einer überaus komplizierten problematischen Geschichte samt daraus zu ziehender Konsequenzen sein. Es ist an den Tatbestand zu erinnern, daß die letzte gemeinsame Epoche der Deutschen Ost und der Deutschen West die NS-Zeit war.

Juni 1993

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