Ausgabe November 1993

Impulsprogramm West / Infrastrukturprogramm Ost

Das sogenannte Spar- und Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung und die Alternative des DGB (Wortlaut)

(Wortlaut) Unter dem Titel "Gegen Sozialabbau - für Vollbeschäftigung und Sicherung der Haushaltsgrundlagen" legte die Abteilung Wirtschaftspolitik des DGB-Bundesvorstandes am 8.9.1993 eine kritische Analyse des "Spar- und Konsolidierungsprogramms" vor, dem sie Alternativvorstellungen des Gewerkschaftsbundes entgegensetzte. ("Informationen zur Wirtschafts- und Strukturpolitik", 11/1993) Wir dokumentieren das Papier im Wortlaut. D. Red.

1. Defizite - Staatsverschuldung - Zinsbelastung: Besteht Konsolidierungsbedarf?

Die Finanzpolitik der Bundesregierung muß auf dem Hintergrund folgender Fakten betrachtet werden: Haushaltsdefizite: Das durch Kreditaufnahme zu deckende Haushaltsdefizit aller staatlichen Ebenen (Bund einschl. Sondervermögen 1), Länder und Gemeinden) wird in diesem Jahr 161 Mrd. DM, unter Einschluß der Treuhandanstalt 199 Mrd. DM betragen. Das entspricht einem Anteil von rund 5% (mit Treuhandanstalt über 6%) am Bruttosozialprodukt (BSP). Das Gesamtdefizit übertrifft damit die BSP-Quote von 3%, die nach einem der beiden finanzpolitischen "Zugangskriterien" für die Zugehörigkeit zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion dauerhaft nicht überschritten werden darf. Aufgrund der EG-weiten Rezession verfehlen aber zur Zeit auch alle anderen EG-Länder dieses Kriterium. Deutschland schneidet sogar vergleichsweise noch am besten ab.

Staatsverschuldung: Die Gesamtverschuldung aller staatlichen Ebenen erreicht 1993 eine Größenordnung von mehr als 1,5 Billionen DM, unter Einschluß der Treuhandanstalt von über 1,7 Billionen DM. Das ist mehr als die Hälfte des BSP. Die deutsche Staatsverschuldung bleibt damit in diesem Jahr noch unterhalb der Warnmarke des zweiten finanzpolitischen EG-Zugangskriteriums, einer Staatschuldenquote von nicht mehr als 60% des BSP. Auch hier befindet sich jedoch die Bundesrepublik immer noch in einer besseren Situation als alle anderen EG-Länder. 1994 gehen die Altschulden von Bundes- und Reichsbahn durch Übernahme in ein Bundeseisenbahnvermögen auf den Bundeshaushalt über; 1995 geschieht das gleiche mit den Schulden der Treuhandanstalt und eines Teils der ehemaligen DDR-Wohnungswirtschaft, die auf den Erblastentilgungsfonds übergehen.

Damit werden diese finanziellen Altlasten auch offiziell Teil der Staatsverschuldung und bewirken zusammen mit dem starken Anstieg der übrigen Neuverschuldung, daß 1995 die deutsche Staatsschuld auf etwa 2,2 Billionen DM anwächst und dann auch die Warnmarke des Zweiten EG-Zugangskriteriums überschreitet. Zinsbelastung: Unter dem Einfluß der steil anwachsenden Staatsverschuldung kommt es zu einem entsprechenden Anstieg der Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte. Sie wird schon 1993 fast 98 Mrd. DM betragen und bis 1995 auf rund 146 Mrd. DM anwachsen. Alle öffentlichen Haushalte zusammengenommen müssen dann fast 17% ihrer Steuereinnahmen, also mehr als ein Sechstel, für Zinsen ausgeben. Weit über diesen Durchschnitt steigt die Zinsbelastung des Bundes, die 1995 einen Anteil von rund 25% der Steuereinnahmen erreicht. Diese Entwicklung der Zinslastquote gibt Anlaß zu großer Sorge. Sie veranschaulicht wie keine andere Kennziffer die Einengung der finanziellen Handlungsspielräume durch die Staatsverschuldung.

Eine besondere Rolle spielen hierbei in der Bundesrepublik die vereinigungsbedingten Schuldentöpfe. Sie sind stark daran beteiligt, daß der Bund 1995 jede vierte Mark seiner eingenommenen Steuern für Zinsen ausgeben wird. Fazit: Alle Kennziffern der Staatsverschuldung signalisieren einen Konsolidierungsbedarf, d.h. die Notwendigkeit eines Abbaus der Neuverschuldung. Dies gilt für alle Staatshaushalte der EG ohne Ausnahme. Besteht einerseits an der Notwendigkeit einer Konsolidierung kein Zweifel, so besteht andererseits aber auch kein Anlaß zu einer "Konsolidierungshektik", da sich die Wirtschaft in der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit befindet. Solange dies der Fall ist, besteht die große Gefahr, mit einem fiskalpolitischen Bremsmanöver die Rezession und damit die Massenarbeitslosigkeit zu vertiefen oder einen sich anbahnenden Konjunkturaufschwung "kaputt zu sparen". Die fatalen Folgen einer solchen Politik zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, die sich mit dem Namen des damaligen Reichskanzlers Brüning verbinden, sollten auch heute noch eine Mahnung sein. Wer heute Keynes für tot erklärt, erweckt Brüning zu neuem Leben!

Die Konsolidierungsaufgabe kann mithin erst angepackt werden, wenn die Rezession überwunden ist. Sie ist dann eine mittelfristige Aufgabe, bei der es entscheidend auch darauf ankommt, wie konsolidiert wird. Keinesfalls darf die Konsolidierung unter dem Deckmantel der sogenannten "Standortsicherung" zu einem Programm des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben umfunktioniert werden.

2.

Das "Spar- und Konsolidierungsprogramm" der Bundesregierung Konjunkturelle Steuerausfälle, insbesondere jedoch steigende Kosten der Massenarbeitslosigkeit durch die Rezession im Westen und die Umstrukturierungskrise im Osten, reißen große Lücken in den Bundeshaushalt. Das Defizit des Bundes im Haushaltsentwurf 1994 ist mit rund 68 Mrd. DM mehr als doppelt so groß wie im Ansatz der bisherigen Finanzplanung (29 Mrd. DM). Um ein Anwachsen des Defizits auf 90 Mrd. DM und mehr zu begrenzen, will die Bundesregierung den Bundeshaushalt und die Bundesanstalt für Arbeit im nächsten Jahr um 21 Mrd. DM, in den Folgejahren um 27 und 29 Mrd. DM entlasten. Einschließlich der Auswirkungen auf die Haushalte der Länder und Gemeinden steigen die beschlossenen Haushaltsentlastungen dieses Spar- und Konsolidierungsprogramms von 25 Mrd. DM in 1994 auf 35 Mrd. DM in 1996. (Einzelheiten sind der Anlage 1 zu entnehmen.) Mit der Bezeichnung "Spar- und Konsolidierungsprogramm" betreiben der Bundeskanzler und sein Finanzminister Etikettenschwindel.

3. Massiver Sozialabbau vergrößert die Gerechtigkeitslücke

Das "Sparprogramm" ist in Wahrheit ein Sozialabbauprogramm. Von allen Haushaltsentlastungen entfallen rund zwei Drittel auf den Sozialbereich, mehr als die Hälfte allein auf das Arbeitsförderungsgesetz. Am stärksten betroffen sind diejenigen, die ohnehin am wenigsten haben: Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Beispiele: - Das Arbeitslosengeld wird mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit prozentual abgesenkt. Im Durchschnitt verliert ein Arbeitsloser dadurch 60 DM im Monat. - Alle anderen Lohnersatzleistungen werden um 3%, das Unterhaltsgeld wird sogar bis zu 12,3 Prozentpunkte gesenkt. - Die Bezugsdauer der Arbeitslosenhilfe wird auf 2 Jahre begrenzt. Über 200 000 Arbeitslose werden dadurch in die Sozialhilfe abgedrängt, zu Lasten der Kommunen, deren Haushaltsdefizite entsprechend steigen werden. Hier wird auch das "Konsolidierungsprogramm" zur Mogelpackung. - Das gesellschaftliche Existenzminimum der Sozialhilfe wird weiter abgebaut - mit der zynischen Begründung, der Abstand der Sozialhilfe zum Erwerbseinkommen sei nicht groß genug.

Während die Schwächsten der Gesellschaft zur Kasse gebeten und den Beamten Nullrunden verordnet werden sollen, erhalten die Unternehmen gleichzeitig mit dem sogenannten Standortsicherungsgesetz in den nächsten drei Jahren ein Steuerentlastungsgeschenk von jahresdurchschnittlich fast 5 Mrd. DM. Dabei wird u.a. der Spitzensatz der Einkommensteuer für Unternehmergewinne von Personengesellschaften von 53% auf 47% abgesenkt. Diese Finanzpolitik ist ein frontaler Angriff auf den Sozialstaat. Sie vergrößert die "Gerechtigkeitslücke", die bei der Finanzierung der deutschen Einheit entstanden ist. Die Umverteilung von unten nach oben wird fortgesetzt, die soziale Stabilität, eine der wichtigsten deutschen Standortbedingungen, aufs Spiel gesetzt.

4. Verschärfung der Wirtschaftskrise Erhöhung der Arbeitslosigkeit und der Krisenkosten

Die Bundesregierung geht bei ihrer Haushaltsplanung 1994 von einem Konjunkturaufschwung aus, der das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Westdeutschland wieder um 1% steigen läßt. Warnend fügt sie hinzu: "Wenn sich der Aufschwung nur um wenige Monate verzögert, entstehen entsprechend negative Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen." Mit ihren Maßnahmen tut die Regierung jedoch alles, um diese Befürchtung in die Tat umzusetzen.

Denn Rotstiftpolitik und Sozialabbau bedeuten einen enormen Kaufkraftentzug, der die Rezession verschärft und die konjunkturelle Arbeitslosigkeit vergrößert. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bewirken die Entzugseffekte des Gesamtpakets von 35 Mrd. DM (hierbei wird die für die Bahnreform vorgesehene Mineralölsteuererhöhung mitgerechnet) einen Wachstumsverlust von einem Prozentpunkt des BIP. Damit, so das DIW, wird aber auch das angestrebte Ziel des Defizitabbaus verfehlt.

Denn infolge der selbst verursachten Steuerausfälle und Mehrausgaben lasse sich das Haushaltsdefizit letztlich nur um 12 Mrd. DM abbauen. Mit anderen Worten: Diese Konsolidierungspolitik zum falschen Zeitpunkt ist kontraproduktiv und selbstzerstörerisch. Die Alternative des DGB soll dies verhindern und damit die Haushaltsgrundlagen sichern.

5. Die Alternative des DGB "Gegen Sozialabbau - für Vollbeschäftigung und Sicherung der Haushaltsgrundlagen"

"Gegen Sozialabbau - für Vollbeschäftigung und Sicherung der Haushaltsgrundlagen:" Unter dieses Motto stellt der DGB seine Alternative zum Konzept der Bundesregierung. Kurzfristig fordern wir - zur aktiven Bekämpfung der Rezession den sofortigen Start eines "Impulsprogramms" für Westdeutschland und das sofortige Inkrafttreten des im Föderalen Konsolidierungsprogramm beschlossenen Infrastrukturprogramms für den Osten, - eine sozialverträgliche und möglichst konjunkturneutrale Schließung der Haushaltslücke 1994 als Alternative zum Sozialabbau und - die Einführung einer Arbeitsmarktabgabe zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik.

5.1 Gegen die Rezession: Impulsprogramm West / Infrastrukturrogramm Ost

Mit dem Ziel eines konjunkturellen Wendepunktes im Westen sollte ein kurzfristiges "Impulsprogramm" im Umfang von 10 Mrd. DM gestartet werden. Schwerpunkte müssen öffentliche Investitionen und Investitionshilfen des Bundes sein, die rasch umsetzbar sind und die Umwelt- und Lebensqualität verbessern, insbesondere in den Bereichen öffentlicher Personennahverkehr, Energiesparen und Städtebau, ferner ein zinsverbilligtes Kreditprogramm zur Förderung kommunaler Investitionen, um ein prozyklisches Einbrechen dieser Investitionen zu verhindern. Dieses Programm muß mit zusätzlichen Krediten vorfinanziert werden. Im Nachhinein finanziert es sich aus der Beschleunigung des Konjunkturaufschwungs so gut wie selbst. Der DGB begrüßt den Beschluß der Bundesregierung, Aufträge aus dem Investitionsförderungsgesetz "Aufbau Ost", das ab 1995 jährliche Investitionszuschüsse des Bundes von 6,6 Mrd. DM für Infrastrukturmaßnahmen vorsieht, bereits 1994 zu vergeben. Die Bundesregierung wird jedoch aufgefordert, dieses Programm nicht erst 1994, sondern sofort auf den Weg zu bringen.

5.2 Schließung der Haushaltslücke 1994: Steuerquellen besser ausschöpfen!

Die Ergiebigkeit der vorhandenen Steuerquellen wird durch den Mißbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten und Steuerkriminalität sowie durch Steuerprivilegien und Steuersubventionen beeinträchtigt. Im Mittelpunkt aller Maßnahmen zur Haushaltsentlastung muß deshalb eine gegen diese Mißstände und Fehlentwicklungen gerichtete Steuerpolitik stehen. Dazu drei Schlaglichter:

- Durch Steuerhinterziehungen, Subventionsbetrug und Schattenwirtschaft geht dem Staat jede 6. Steuermark verloren. Die Einschränkung dieser Hinterziehungsquote von derzeit 16% des Steueraufkommens um auch nur einen einzigen Prozentpunkt brächte 8 Mrd. DM Mehreinnahmen in die Staatskasse.

- Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim festgestellt: Selbständige und Gewerbetreibende weisen bei gleichem Bruttoeinkommen ein um 16,4% niedrigeres zu versteuerndes Einkommen aus als Arbeiter, Angestellte oder Beamte. Der Grund: Unklare Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatbereich mit vielen Möglichkeiten zur Senkung des zu versteuernden Einkommens, die abhängig Beschäftigten nicht offenstehen. Würden alle Haushalte ihr Bruttoeinkommen entsprechend den bestehenden Steuergesetzen versteuern, dann hätte es im Jahre 1983 Steuermehreinnahmen von 72 Mrd. DM gegeben. Das entspräche heute einem Betrag von 110 Mrd. DM.

- Seit der politischen "Wende" Ende 1982 hat sich nicht zuletzt die Steuerpolitik eindeutig in Richtung Unternehmerkassen "gewendet": Von allen seither verwirklichten Steuersenkungen flossen zusammengenommen 170 Mrd. DM in die Unternehmerkassen und nur 70 Mrd. DM an die privaten Haushalte. Dies ist der eigentliche Grund dafür, daß der DGB schon seit Jahren das Prinzip aufgestellt hat, daß steuerpolitische Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen unter allen Umständen aufkommensneutral sein müssen.

Zusätzlich zu den von der Regierung beschlossenen steuerlichen Maßnahmen 2) von jährlich 2,75 Mrd. DM (Bund: 1,4 Mrd. DM) fordern wir deshalb die Verwirklichung folgender Sofortmaßnahmen zum Einstieg in eine umfassende Aktion zur Bekämpfung von Steuermißbrauch und zum Abbau von Steuersubventionen:

- Schärfere Bekämpfung des Betriebsausgabenmißbrauchs, vor allem Abschaffung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Geschenke, Bewirtung von Geschäftsfreunden, Schmiergelder, Einstellung privater Haushaltshilfen als Betriebsangehörige, Luxus-Pkw,

- schärfere Besteuerung von Spekulationsgewinnen,

- Abschaffung des Steuerfreibetrags für die Beschäftigung von Hausgehilfinnen ("Dienstmädchenprivileg"),

- Streichung der Steuervergünstigung aus der Besteuerung von landwirtschaftlichen Unternehmergewinnen nach Durchschnittssätzen,

- Rückgängigmachung oder Gegenfinanzierung der Unternehmenssteuersenkungen nach dem sogenannten Standortsicherungsgesetz.

Aus der Verwirklichung dieser Sofortmaßnahmen lassen sich jährliche Steuermehreinnahmen von etwa 5,2 Mrd. DM erzielen, davon rund 2,2 Mrd. DM beim Bund. Hiervon würde als Beitrag zur Schließung der Haushaltslücke 1994 allerdings erst gut 1 Mrd. DM haushaltswirksam. Zur Schließung der Haushaltslücke anstelle des Sozialabbaus fordert der DGB deshalb zusätzlich - die Erhebung einer Erhebung einer Ergänzungsabgabe in Höhe von 10% auf zu versteuernde Jahreseinkommen ab 60 000 / 120 000 DM (Ledige/Verheiratete) für ein Jahr (Aufkommen: 13 Mrd. DM) sowie - zusätzliche Einsparungen im Bundeshaushalt in den Bereichen Verteidigung, Agrarsubventionen, bemannte Raumfahrt und Nuklearforschung: 4 Mrd. DM. Diese vom DGB vorgeschlagenen Haushaltsentlastungen sind im Gegensatz zum Regierungsprogramm relativ konjunkturverträglich. Sie treffen in erster Linie die Bezieher höherer Einkommen und gewährleisten damit, daß die Einkommensminderungen weniger zu Lasten der Konsumgüternachfrage gehen, sondern in erster Linie aus einer Verminderung der Sparquote getragen werden.

5.3 Arbeitsmarktabgabe

Die DGB-Forderung nach einer Arbeitsmarktabgabe von Selbständigen, Freiberuflern, Beamten und Abgeordneten muß endlich verwirklicht werden. Hierdurch sind Mehreinnahmen von etwa 6 Mrd. DM zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik erzielbar.

6. Forderungen des DGB zur mittelfristigen Haushaltskonsolidierung

Nach Überwindung der Rezession müssen die mittelfristigen Konsolidierungsaufgaben in Angriff genommen werden. Aus der Umsetzung der DGB-Forderungen zur Haushaltsentlastung stehen hierfür im Bundeshaushalt Steuermehreinnahmen von über 5 Mrd. DM bei Bund, Ländern und Gemeinden sowie Einsparungen in Höhe von 4 Mrd. DM insgesamt also 9 Mrd. DM, dauerhaft zur Verfügung. Die Einnahmen aus der Ergänzungsabgabe von 13 Mrd. DM fallen jedoch weg, da diese ab 1995 durch den allgemeinen Solidaritätszuschlag zur Finanzierung des Erblastentilgungsfonds abgelöst wird. Als Ersatz hierfür fordert der DGB die Fortsetzung der Maßnahmen zur besseren Ausschöpfung der Steuerquellen, insbesondere - Unternehmenssteuern: Die DGB-Forderung, gebotene Reformen der Unternehmensbesteuerung aufkommensneutral zu gestalten, wurde von der Bundesregierung beim Steueränderungsgesetz 1992 nicht und beim Standortsicherungsgesetz nur unzulänglich verwirklicht.

Daher fordert der DGB, diese Maßnahmen entweder rückgängig zu machen oder durch den Abbau von Steuervorteilen im Unternehmenssteuerbereich (z.B. Reduzierung überhöhter Abschreibungsmöglichkeiten) eine Gegenfinanzierung zu schaffen. Jährliche Mehreinnahmen: 8 Mrd. DM. - Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Subventionsmißbrauch z.B. aus der Schattenwirtschaft: Durch Verminderung der Hinterziehungsquote von derzeit 16% des Steueraufkommens um nur einen Prozentpunkt lassen sich Mehreinnahmen von 8 Mrd. DM erzielen. Voraussetzung ist allerdings die Beseitigung der Personaldefizite in den Finanzämtern mit den Schwerpunkten Betriebsprüfungen und Steuerfahndung.

Insgesamt lassen sich durch die Verwirklichung dieser DGB-Forderungen einschließlich der fortwirkenden Maßnahmen auch 1994 Haushaltsentlastungen von rund 25 Mrd. DM erzielen. Weiterhin fordert der DGB die Bundesregierung auf, mit Nachdruck auf eine europäische Harmonisierung der Zinsbesteuerung hinzuwirken, um die Steuerflucht der Bezieher von Zinseinkünften zu unterbinden. Je 100 Mrd. DM Verlusten aus Steuerflucht lassen sich durch weitere Steuermehreinnahmen von 4 Mrd. DM erzielen.

Im übrigen unterstützt der DGB die Zielsetzung von Bund, Ländern und Gemeinden, etwaige konjunkturelle Steuermehreinnahmen zur Reduzierung der Haushaltsdefizite einzusetzen.

Anlagen 1 & 2 siehe PDF Datei 

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.