Ausgabe Februar 1994

Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Die Gewerkschaften zwischen politischer Offensive und Marginalisierung

Wer sich Anfang 1994 die Lage der Gewerkschaften vor Augen hält, dem bietet sich nicht gerade ein erfreuliches Bild. Es ist schlecht bestellt um die Chancen gewerkschaftlicher Gegenwehr. Schon wenn es gilt, Vorhandenes zu verteidigen, vermitteln die Gewerkschaften den Eindruck der Schwäche. Messen wir sie an dem Anspruch, sozial- und gesellschaftspolitisch in die Offensive zu kommen, so ist die Lage noch besorgniserregender.

Unternehmerische "Überkompensation" und gewerkschaftliche Defensive

Dies alles hat Gründe. Um nur einige aktuelle Faktoren in Erinnerung zu rufen: - Die Bundesrepublik ist, wie andere Industriestaaten auch, von einer tiefen wirtschaftlichen Krise gezeichnet. Ein Ende ist nicht in Sicht, allen Prognosen politischer Berufsoptimisten zum Trotz. - Noch nie waren so viele Menschen arbeitslos. Zählt man nicht nur die von den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen, so fehlen derzeit annähernd sechs Millionen Arbeitsplätze. - Wenn die Belegschaften Angst um ihre Arbeitsplätze haben, fällt ihnen erfahrungsgemäß Gegenwehr schwer. Wenn einzelne Arbeitnehmer/innen oder ganze Belegschaften gegeneinander ausgespielt werden, ist es nicht leicht, Solidarität zu entwickeln. - In der aktuellen Auseinandersetzung um die Pflegeversicherung wurde der Begriff der "Überkompensation" geprägt.

Er kann derzeit als allgemeine Maxime gelten.

Februar 1994

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.