Ausgabe April 1995

Deregulierung der politischen Logik

"Entdecken Sie die unendliche Vielfalt. Mit Joghurt von Ehrmann. In über 20 Sorten..." (Werbeslogan 1995) "Die Wissenschaft klärt die Restbestände des Selbstverständlichen in den Köpfen auf" (Peter Gross, Die Multioptionsgesellschaft, Frankfurt/M. 1994, S. 368) Daß die Politik tot sei, wissen Eingeweihte seit Luhmann, spätestens. Wie tot sie in gewissen Köpfen ist, erfährt man live, wenn man trendbewußten Journalisten oder Gesellschaftswissenschaftlern bei der Arbeit zusieht. Zum Beispiel: Sonntagspolitik im PresseClub (ARD, 5.3.), Thema Schwarz-Grün. Bei Kollegen Fuchs zu Gast Robert Leicht (Echt-ZEIT) und Manfred Bissinger (ZEIT-light), Ferdos Forudastan von der "Frankfurter Rundschau" und ein Fossil aus der politischen Heimat des Moderators, Wilfried Schamagel ("Bayernkurier"). Die beiden Vertreter des Hamburger Pressekorps zeigen sich entgeistert und auf die Dauer genervt, denn die Kollegin insistiert: Nicht nur wer mit wem, will sie wissen, sondern wozu - zur Durchsetzung welcher Ziele - sich politische Farben miteinander verbinden sollten!

Die Hamburger finden die Frage obsolet, Ausdruck Alten Denkens, und Frau Forudastan landet in einem Sack mit dem CSU-Hauptschriftleiter. Diese beiden haben einfach nicht begriffen, daß die Frage nach der inhaltlichen Zweckbestimmung einer Parteienkombination 1995 peinlich rückwärtsgewandt wirkt.

April 1995

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