Bilanzieren wir einen Augenblick lang die Befindlichkeit der europäischen Linken in den 80er und 90er Jahren, so stellt eine Eigenschaft alles andere in den Schatten: ihre Fähigkeit zu trauern. Etwas lästerlich könnte man auch sagen: ihre Fähigkeit, zu lamentieren und vertanen Chancen nachzusinnen, ist schier grenzenlos. Wer wollte bestreiten, daß es dafür vor und nach der Zeitenwende von 1989/90 guten Grund im Übermaß gab und gibt? Nur bringt die gleiche Eigenschaft eine Kehrseite mit sich, die nicht weniger wirklichkeitsfremd ist: die Unfähigkeit, Erfolge in der Politik als Erfolge wahrzunehmen. Sie nicht so beharrlich auf Grenzen, Gefahren, Risiken hin zu analysieren, daß sie schließlich in die nächste allfällige Enttäuschung einmünden. Womit sich diese Art, den Gang der Dinge zu begleiten, aufs beste selbst bestätigt. Es ist schon verblüffend, wie unvorbereitet der Wahlsieg der italienischen Linken hierzulande in die Schlagzeilen geriet - und wie schnell er daraus wieder verschwunden ist. Und zwar in der gesamten Öffentlichkeit, gerade so als habe es sich um ein von Anfang an randständiges Ereignis gehandelt. Ein paar Tage noch wurden die überraschenden Kursgewinne der Lira trotz der vom Wähler gewollten Linkswende bestaunt.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.