Ausgabe September 1996

Mehrwertsteuer im Sommerloch

Im Streit um die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer offenbart sich ein neuer Grad der Chaotisierung des bundesdeutschen Steuersystems. Die Regierungsparteien streiten sich noch über den richtigen Zeitpunkt. Doch die Anhebung ist grundsätzlich abzulehnen:

1. Konjunkturell führt sie zu einer weiteren Belastung des privaten Konsums. Im Prinzip wird durch den Vorsteuerabzug die Mehrwertsteuer auf die Preise des Endverbrauchs umgewälzt. Bei einer Erhöhung des Normalsteuersatzes um einen Prozentpunkt nimmt der Preisindex der Lebenshaltung um ca. 0,8% zu. Damit wird das Ziel, die Geldwertstabilität zu sichern, gefährdet.

2. Durch die Erhöhung des normalen Mehrwertsteuersatzes sinkt ab einem monatlichen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in Höhe von ca. 6 000 DM die relative Belastung, weil der Anteil der Konsumausgaben zugunsten der Vermögensbildung zurückgeht. Die Tatsache, daß existenznotwendige Güter und Dienstleistungen überhaupt nicht bzw. mit 7% besteuert werden (Nullbesteuerung etwa ärztlicher Dienstleistungen, 7% bei Lebensmitteln und Büchern), wirkt allerdings bei unteren Einkommensgruppen der Belastung des nahezu ausschließlich für Konsumzwecke genutzten Einkommens entgegen.

3.

September 1996

Sie haben etwa 36% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 64% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

von Ute Scheub

Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.

Mythos grüne Digitalisierung

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

Der Klang der Zukunft ist ein leises, elektrisches Dröhnen, das in den Knochen vibriert. Hier im Rechenzentrum herrscht niemals Stille. Es ist erfüllt von einem monotonen Chor mechanischer Flüstertöne.