Ausgabe November 1996

Staat und Solidarität

Von Solidarität ist seit einigen Jahren immer häufiger die Rede: beispielsweise dann, wenn es um die Mobilisierung von Handlungsund Opferbereitschaft im Zusammenhang mit der deutschen Einheit geht. Über diese spezifisch deutsche Problematik hinausreichend hat das Thema "Solidarität" aber auch in der internationalen Diskussion eine bemerkenswerte Konjunktur. Dies gilt vor allem im Hinblick auf zwei Kontexte. Zum einen im Hinblick auf die allenthalben diskutierte Krise des Sozialstaats, die einem sehr alten grundsätzlichen Einwand gegen staatliche Umverteilung neue Aktualität verliehen hat: Solche Umverteilung werde aus Steuermitteln finanziert, die mit der Androhung von Gewalt eingetrieben werden; sozialstaatliche Solidarität beruhe somit auf Zwang und sei daher abzulehnen. Zum zweiten wird von zahlreichen Autoren eine zunehmende Entsolidarisierung der modernen Gesellschaft konstatiert: die Individualisierung habe exzessive Dimensionen angenommen. Eine Stärkung solidarischer Bande, womöglich gar eine Rückbesinnung auf die brüderliche Gemeinschaft sei dringend notwendig.

I. Solidarität und Sicherheit

Im politischen Alltag wird von "Solidarität" hauptsächlich dort gesprochen, wo es um die Umverteilung finanzieller Ressourcen zugunsten materiell bedürftiger Individuen oder Gruppen geht.

November 1996

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.