Die Clinton-Regierung beginnt das letzte Jahr ihrer Amtszeit und des Jahrhunderts mit einer außenpolitischen Leistungsbilanz, in der nur wenige größere Erfolge, aber schwerwiegende Fehler zu verzeichnen sind. Auf der Haben-Seite finden sich die Intervention in Bosnien für eine Beendigung des Krieges und ein beträchtlicher Beitrag zum Frieden in Irland (beide durch starken innenpolitischen Druck ausgelöst) sowie Maßnahmen für eine Stabilisierung Mazedoniens, der (unsichere) Waffenstillstand im Kosovo und die Vermittlung in der Zypern-Affäre. Zu den Fehlschlägen zählen die Behandlung Rußlands, eine Irak-Politik, die die Lage im Nahen Osten beständig verschlechtert hat, destruktives Nervenversagen und Kleinmütigkeit im Umgang mit Israel und dem Frieden in Palästina, eine von Wirtschafts- und Handelsinteressen gesteuerte China-Politik, die die Beziehungen der USA zu Japan in unsinniger und vielleicht verhängnisvoller Weise beschädigt, eine politisch aufgebauschte, aber substanzlose Initiative in Afrika, die sich bereits in Nichts aufgelöst hat, und ein implizit hegemoniales Vorgehen gegenüber Europa, der NATO-Erweiterung und einer Neudefinition der NATO-Politik, was schon im Frühjahr zu einer transatlantischen Krise führen könnte.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.