Ausgabe Oktober 2000

Finkelsteins Tabubruch

Der kleine Verlag Verso in New York versieht seine Bücher mit guten Klappentexten. Das macht es kritischen Rezensenten leicht, ohne Unfairness mitzuteilen, worum es dem New Yorker Professor Finkelstein in "The Holocaust Industry" geht: "In seiner tabubrechenden und kontroversen neuen Studie geht Norman G. Finkelstein von einer Befragung des Stellenwertes aus, den der Holocaust in der amerikanischen Kultur eingenommen hat, und gelangt zu einer bestürzenden Analyse der jüngsten Abkommen zur Holocaust-Entschädigung ...Aus einer Fülle bislang ungenutzter Quellen enthüllt er die doppelte Übervorteilung sowohl europäischer Länder wie auch rechtmäßiger jüdischer Anspruchsberechtigter und kommt zu dem Schluss, dass die Holocaust-Industrie zu einer ausgesprochenen Bande von Schutzgeld-Erpressern (an outright extortion racket) geworden sei." Die Unternehmer dieser Industrie sind dem Autor zufolge so ziemlich deckungsgleich mit dem Führungspersonal des amerikanischen Judentums. Ein Spitzenfunktionär des Jüdischen Weltkongresses, in dem schmalen Buch aufs Heftigste attackiert, hat in den "Tagesthemen" des Deutschen Fernsehens Finkelsteins Werk mit einem Four-Letter-Word qualifiziert, das in gesitteten US-Zeitungen nicht druckbar ist.

Eine Debatte ist das nicht.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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