Wenn die glaubensschwachen Europäer begreifen wollen, was die Amerikaner zur Zeit tun, dann müssen sie sich notgedrungen mit Theologie befassen. Denn irritierend an den regierenden Neokonservativen ist nicht nur, dass sie die liberale Tradition aufnehmen: Wie vor allem von Linken gefordert, soll die Außenpolitik sich an moralischen Werten orientieren, Demokratie und Menschenrechte durchsetzen. Irritierend ist zudem, dass die Neokonservativen sich schon seit den 70er Jahren mit den protestantischen Fundamentalisten verbündet haben und nur so Reagan und Bush jr. an die Macht bringen konnten.
Das Explosive dieser Mischung liegt darin, dass damit Nationalismus, übersteigertes Sendungsbewusstsein, also religiös gewordene Politik einerseits und intolerante, politisch gewordene Religiosität andererseits eine Synthese eingehen. Daher die ungenierte Einteilung der Welt in Gute und Böse schon bei Reagan und der Freund-Feind-Dualismus bei Bush jr.: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
Seltsam ist zunächst, dass man sich einbildet, das Gute zu vertreten und das Böse zu kennen. Aber das ist noch gar nicht der springende Punkt. Sondern man ist ja deshalb überzeugt, gut zu sein, weil man der Mächtigste ist! Weswegen die Bösen aus dieser Sicht auch immer die Schwachen sind, die ihre Schwäche nur nicht akzeptieren wollen.