Ausgabe Februar 2010

Kriegsjustiz durch die Hintertür

Derweil die Staatsführer auf der internationalen Afghanistan-Konferenz in London über die Ausweitung der Truppenstärken feilschten, geriet in Deutschland ein anderes Thema aus dem Geheimbereich der Hinterzimmer in die Öffentlichkeit: nämlich die Forderung nach Wiedereinrichtung einer eigenen Kriegsgerichtsbarkeit. Was vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte bis vor kurzem noch als Tabu galt, wird jetzt unter anderem vom Bundeswehrverband, aber auch von zahlreichen Politikern, mit Nachdruck verlangt.

Angesichts schlimmer Erfahrungen im Kaiserreich war die Militärjustiz bereits 1919 abgeschafft worden. Nach ihrer Wiedereinführung durch die Nationalsozialisten sorgten die Alliierten im Jahre 1945 erneut für ihre Abschaffung. Der 1956 ins Grundgesetz eingefügte Artikel 96 eröffnete zwar bereits die theoretische Möglichkeit einer Wehrstrafgerichtsbarkeit. Angesichts des zu erwartenden öffentlichen Widerstandes scheute man aber schon die bloße Diskussion darüber.

Dennoch machten sich bald nach Gründung der Bundeswehr Juristen im Bundesjustiz- und Bundesverteidigungsministerium in aller Heimlichkeit an die Planung einer eigenständigen Militärjustiz.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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