Ausgabe Oktober 2016

Schicksalsfrage Anthropozän

Wie wir die Erde aufs Spiel setzen

Fin de Siècle, so hieß in Europa die von Frankreich ausgehende kulturelle Bewegung, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg den Verfall der alten Ordnung humorvoll, provokativ und tiefsinnig zum Thema machte: „Wir, die wir mit einem Fuß schon im zwanzigsten Jahrhundert stehen, sind über alles weit hinaus.“[1]

Am Ende des imperialen Europas gab es ein Durcheinander verschiedener Zeitalter, die im Konflikt zueinander standen: Auf der einen Seite die im Kern noch mittelalterliche Ordnung des Adels, der Kirche und des Militärs, aus der sich die reaktionäre Gegenbewegung gegen die Moderne speiste. Auf der anderen Seite die neue Welt des Kapitalismus, in der große Industriekomplexe entstanden, die Städte explosionsartig wuchsen und die Arbeiterschaft zur starken politischen Kraft aufstieg. In Literatur, Musik und Malerei breitete sich damals das intensive Lebensgefühl von Aufbruch und Fortschritt aus. Die Kaffeehäuser in Berlin, Paris und Wien waren geschwängert von überschäumender Zukunftseuphorie, bizarrem Weltschmerz und frivoler Leichtigkeit. Doch das Fin de Siècle blieb ein Mythos ohne Glanz, den Hugo von Hofmannsthal 1902 in seinem Stück „Ein Brief“ als tiefe Interpretations- und Orientierungskrise beschrieben hat.

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