Ausgabe Oktober 2019

Der Brexit und die Krise des britischen Parlamentarismus

Bild: imago images / ZUMA Press

Die deutsche Öffentlichkeit stellt sich den britischen Kampf um den EU-Austritt auch im dritten Jahr noch immer als einen Aufstand der Unvernunft vor; und durch die Vorgänge um Boris Johnsons Prorogation, seine Ausbootung des Parlaments, sieht sie sich darin bestätigt. Längst vergessen ist dagegen, dass der Austritt eine im Vertrag von Lissabon vorgesehene und damals auch in der deutschen Öffentlichkeit aus legitimationspolitischen Gründen gutgeheißene Option war – und dass die demagogische Leave-Kampagne nur einen Teil der Verantwortung für den Ausgang des Referendums trägt, den anderen aber die saturierte Schlaffheit der Remainer. Vergessen auch, dass die Tories 2017 noch einmal eine wenn auch nur relative Mehrheit mit dem Versprechen errangen: no deal is better than a bad deal, und dass es erst Johnson war, der sich zumindest öffentlich auf den Standpunkt dieses Wahlversprechens stellte. Die auf dem Kontinent schweren Herzens verabschiedete Theresa May hingegen – mit der, wie die Bundeskanzlerin ihr zum Abschied nachrief, man immer sehr „kameradschaftlich“ zusammengearbeitet habe – hatte ihren Bruch mit Partei und Fraktion selbst vorangetrieben, als sie diese Option nach der Wahl de facto vom Tisch nahm.

Kurzum: Es herrscht allgemeines Unverständnis, warum sich keine überparteiliche Koalition der Besonnenen bildet.

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema