Vom Hitler-Stalin-Pakt zum Krieg in der Ukraine

Bild: Mit schwerem Gerät verlegt Estland ein Sowjetpanzer-Monument in der estnisch-russischen Grenzstadt Narva, 16.8.2022 (IMAGO / Scanpix)
Ist die Invasion der Ukraine der Krieg von Wladimir Putin – oder von Russland? Wer trägt Schuld an dem Blutvergießen: vor allem der Kreml oder auch die Gesellschaft, die dieses Regime stützt oder zumindest toleriert? Wie tief verankert ist der Imperialismus in der russischen Geschichte und Kultur, welche Traditionen gilt es daher zu hinterfragen? Darüber wird nicht zuletzt in der russischen Exilopposition gestritten – auch mit Blick auf die persönliche Verantwortung der Oppositionellen. Eine wichtige Stimme in dieser Debatte ist der Schriftsteller Sergej Lebedew, der sich seit Langem der verdrängten Vergangenheit seines Landes widmet. Sein nachfolgender Beitrag basiert auf einem Vortrag, den er am am 17. Mai im Rahmen der Helsinki Debate on Europe gehalten hat. Übersetzung: Steffen Vogel.
Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit. Was wie das Ende der Geschichte aussah, hat sich nun in die Rückkehr der Geschichte in ihrer brutalsten Form verwandelt: durch Russlands militärischer Aggression gegen die Ukraine, die russische Besatzung von Teilen des Landes und Moskaus Anspruch auf regionale Vorherrschaft.