Bild: Bei der Konferenz von San Francisco wurde die Charta der Vereinten Nationen erarbeitet, die am 26. Juni 1945 von 50 alliierten Staaten unterzeichnet wurde (IMAGO / United Archives International)
Am 24. Oktober feiern die Vereinten Nationen ihr 80. Jubiläum – doch Anlass zum Feiern gibt es kaum. Das UN-System befindet sich in einem bespiellos schlechten Zustand. Schon bevor die US-Regierung, größter Geldgeber der internationalen Organisation und vieler ihrer Teilorganisationen, den Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO), aus dem UN-Menschenrechtsrat sowie aus dem Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) ankündigte, war die Organisation finanziell schwer angeschlagen. Bei den jüngsten Engpässen im UN-Budget handelt es sich allerdings nicht bloß um ein weiteres Symptom der weltweit verbreiteten Abkehr vom Multilateralismus. Vielmehr zeigen sich in der aktuellen Krise auch die strukturellen Probleme, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der UN ziehen.
Schon seit seinem Amtsantritt 2017 warnt Generalsekretär António Guterres, der im kommenden Jahr nach den traditionellen zwei Amtsperioden wohl abtreten wird, regelmäßig mit dramatischen Worten vor der Verschärfung von Liquiditäts- und Budgetproblemen. Wer jedoch zu oft Alarm schlägt, dem glaubt man weniger leicht. Aber er übertreibt nicht: Die Lage hat sich tatsächlich dramatisch zugespitzt.
Entsprechend schlägt ein vertraulicher Bericht, der im Mai an die Medien gelangte, drastische Maßnahmen vor. Das Papier, das eine Arbeitsgruppe, geleitet von Vizegeneralsekretär Guy Ryder, verfasst hat, sieht vor, große UN-Organisationen zusammenzulegen, fordert einen radikalen Stellenabbau und Umzüge ganzer Büros in kostengünstigere Länder. Der Plan, der im Rahmen der Reforminitiative „UN80“ erstellt wurde, liest sich wie der Vorschlag einer Unternehmensberatung. Beklagt werden ineffiziente Doppelstrukturen, überholte Arbeitsweisen und institutionelle Fragmentierung. Der UN80-Gruppe zufolge ist das Hauptproblem die Bürokratie. Die Lösung sei dementsprechend eine schlankere, effizientere und eben auch kostengünstigere UNO. Um das zu erreichen, will die Taskforce unter anderem die Friedens- und Sicherheitsorgane zusammenlegen ebenso wie die humanitärer Akteure OCHA, UNHCR und IOM. Außerdem soll ein einziges Entwicklungsorgan geschaffen werden, das unter anderem WHO, FAO und sogar Weltbank, IWF und WTO zusammenschließen würde.
Jeder einzelne dieser Vorschläge würde in der Praxis die Arbeit der UN dramatisch verändern. Viele Kürzungen sind jedoch schon jetzt düstere Realität. So kündigte etwa die Internationale Organisation für Migration (IOM) im März an, die Belegschaft ihrer Zentrale um 20 Prozent zu verkleinern. Im April berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass auch das Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) 20 Prozent der Angestellten entlassen werde. Die Flüchtlingsagentur UNHCR gab an, bis Ende Oktober weltweit 3500 Stellen von seinen etwa 20 000 zu streichen. Auch UNICEF rechnet mit einem Budgetrückgang von 20 Prozent bis 2026. UN-Aids, eine der Hilfsorganisationen, deren Arbeit vom plötzlichen Rückzug der USA aus der Finanzierung unmittelbar getroffen wurden, hat angekündigt, ihr Personal am Hauptsitz in Genf von 127 auf nur noch 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und weltweit um rund 54 Prozent zu reduzieren. Die Impfallianz Gavi, ebenfalls Teil des UN-Systems, streicht nun auch insgesamt 155 Vollzeitstellen in Genf. Steht im Jubiläumsjahr 2025 ein Zusammenbruch des UN-Systems bevor?
Vetomächte und politische Zahlungsmoral
Ohne einen Blick in die Vergangenheit ist die Krise der UNO nicht zu verstehen. Am 24. Oktober 1945, mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden die Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes gegründet. Aufbau, Struktur und Verantwortungsbereiche der multilateralen Organisation wurden über mehrere Verhandlungsrunden in Dumbarton Oaks, Jalta und zuletzt San Francisco beschlossen. Um aus der Handlungsunfähigkeit des Völkerbunds der Zwischenkriegsjahre zu lernen, führte die UN eine entscheidende Neuerung ein: den Sicherheitsrat, der direkt Interventionen im Namen der internationalen Gemeinschaft anordnen kann. Allerdings wurden gleichzeitig, gemäß Artikel 27 der UN-Charta, den fünf Siegermächten – USA, Sowjetunion, China, Frankreich und Großbritannien – als sogenannten ständigen Mitgliedern Vetorechte eingeräumt. Diese Machtverteilung ist bis heute im Kern unverändert geblieben, sehr zum Unmut vieler Staaten des Globalen Südens, wie etwa Brasilien oder Indien, die eine gerechtere Repräsentation fordern, insbesondere durch eine Umstrukturierung des Sicherheitsrats. Bisher sind die Vetorechte der ständigen Mitglieder regelmäßig Grund für blockierte Anträge und damit genau für das, was die UN im Unterschied zum Völkerbund vermeiden wollte: Handlungsunfähigkeit. Die Handlungsfähigkeit leidet aber auch darunter, dass die UNO finanziell direkt von der Zahlungsbereitschaft der Mitgliedsstaaten abhängt. Pflichtbeiträge bemessen sich zwar am Bruttonationaleinkommen und der Zahlungsfähigkeit der Mitglieder, doch viele kommen ihren Verpflichtungen schlicht nicht nach.
Dass sich Engpässe aus verzögerten oder ganz ausbleibenden Beiträgen ergeben, ist für die UNO nichts Neues. Eine Schlagzeile in der „New York Times“ aus dem Jahr 1988 ließe sich heute unverändert drucken: „Warum weigern sich die Vereinigten Staaten, ihre UN-Rechnung zu zahlen?”[1] Ganze 37 Jahre später belaufen sich die Rückstände insgesamt auf 2,4 Mrd. US-Dollar. Allein die USA stehen mit 1,5 Mrd. Dollar in der Kreide; China mit 597 Mio. Mit weitem Abstand folgen Russland mit 72 Mio., Saudi-Arabien mit 42 Mio. sowie Mexiko und Venezuela mit jeweils 38 Mio. Ausstehende Beiträge anderer Mitglieder belaufen sich insgesamt auf 137 Mio. US-Dollar. Weitere Milliarden fehlen im Friedensbudget (2,7 Mrd.) sowie bei den internationalen Gerichtshöfen (79 Mio.).[2]
Warum aber zahlen so viele Mitgliedsstaaten nach wie vor ihre UNO-Beiträge nicht oder nicht rechtzeitig? Laut UN-Charta verlieren Staaten bei zweijährigem Zahlungsrückstand ihr Stimmrecht – eine Sanktion, die selten greift. Viele Expertinnen und Experten fordern deshalb, die Frist zu halbieren. Gegen eine politisch motivierte Beitragsverweigerung würde allerdings auch eine solche Maßnahme nicht helfen. Gerade die USA nutzten schon in den 1980er Jahren unter Präsident Reagan gezielte Beitragskürzungen, etwa um Resolutionen zur Anerkennung Palästinas zu blockieren.[3] Reagan veranlasste darüber hinaus, wie Donald Trump, den Austritt aus der UNESCO, der Unterorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
USA: Die traditionelle UN-Feindschaft der Republikaner
In den 1990ern sprachen sich Abgeordnete der republikanischen Partei sogar vermehrt gegen die UN-Mitgliedschaft insgesamt aus. Ein Änderungsantrag für den Austritt aus den UN gewann 1997 zwar nur 54 Stimmen (darunter die von zwei demokratischen Abgeordneten), bereitete allerdings den Boden für den sogenannten American Sovereignty Restoration Act (ASRA) von 2007. Dieser ausführlichere Antrag des republikanischen Senators Ron Paul, nochmals 2009 und 2022 vorgelegt, stufte die Vereinten Nationen als Gefahr für die amerikanische Staatssouveränität ein.[4] Bis heute dient der ASRA UN-kritischen Republikanerinnen und Republikanern als Inspiration: Senator Mike Lee und sein Parteigenosse Chip Roy, Abgeordneter für Texas, führten 2023 etwa den „Disengaging Entirely from the United Nations Debacle (DEFUND) Act” ein, der sich direkt am früheren Projekt von Ron Paul orientiert. Die Polemik gegen die UN ist also nicht neu, sondern knüpft sowohl in den USA als auch andernorts direkt an Argumente an, die schon seit Jahrzehnten im Umlauf sind. Ebenso wenig neu ist, dass Regierungen die finanzielle Abhängigkeit von Mitgliedsbeiträgen als Machtmittel einsetzen und eine antiinternationalistische Boykottdiplomatie betreiben.
Doch nicht alle kritischen Stimmen lehnen die UN als solche ab. Vor allem Forderungen nach einer stärkeren Vertretung des Globalen Südens, die sich nicht zuletzt auf den Strukturwandel der Weltpolitik durch die Dekolonisierung berufen, zielen auf eine gerechtere Machtverteilung innerhalb der UN ab. Anders ausgedrückt, in den Worten von Generalsekretär Guterres selbst, ist die UN „in der Zeit stehengeblieben”.[5] Die Stimmrechte im Sicherheitsrat spiegeln die längst vergangene Nachkriegsordnung wider. Auch die Dominanz der USA in den Unterorganisationen Weltbank und IWF ist für diese Stimmen unvertretbar. Die historischen Probleme der UN und ihr wiederholtes Versagen sind bislang unzureichend aufgearbeitet. Historikerinnen und Historiker wie Margot Tudor, Autorin des Buchs „Blue Helmet Bureaucrats“, das den Schatten des Kolonialismus in der Geschichte der UN-Friedensmissionen analysiert, fordern deshalb eine kritische Neupositionierung.[6] Vor dem Hintergrund einer längeren Geschichte der politisch motivierten Beitragsverweigerung ist die Problemdiagnose der UN80-Gruppe also unzureichend. Wenn man Kritikerinnen und Kritikern der Vereinten Nationen, im Globalen Süden wie im Norden, Glauben schenkt, dann ist nicht bürokratische Ineffizienz, sondern Machtverteilung das Hauptproblem. Heute in erster Linie Donald Trump für die finanziellen Probleme der Vereinten Nationen verantwortlich zu machen, greift deshalb zu kurz. Auch China ist ein säumiger Beitragszahler, und in Europa schrumpfen die Entwicklungshilfeetats – ob in Großbritannien, den Niederlanden, der Schweiz, Schweden oder Deutschland –, und damit die Beiträge zu UN-Teilorganisationen im Zeichen eines wiedergefundenen Verlangens nach Abschreckung und „Kriegstüchtigkeit“. Zwar gibt es in der EU keine offizielle Abkehr vom Multinationalismus, aber eine Vision für die Stärkung und Reform der UNO ebenso wenig.
Die Herausforderung für die Weltorganisation ist daher, Beweggründe zur Beitragszahlung zu erneuern, anstatt in die Hände der Kettensägenpolitik zu spielen. Diese zielt letztlich – das hat die Austeritätspolitik immer wieder bewiesen – auf institutionellen Abbau statt Wandel ab. Kürzungen im Namen des Bürokratieabbaus bergen das Risiko, die UN einfach nur nachhaltig zu schwächen, weil die Probleme, die seit Jahrzehnten im Fokus der Kritik stehen, ungelöst bleiben. Internationale Organisationen sterben selten. Doch auch wenn uns ein Einsturz der UN nicht unmittelbar bevorsteht, sind die Konsequenzen der aktuellen Krise gravierend. Vor allem kleinere, lokal verankerte NGOs, die mit UN-Agenturen zusammenarbeiten, bleiben als Erste auf der Strecke: Organisationen, die für die Umsetzung vieler UN-Mandate unabdingbar sind. Ein echter Ausweg aus der Finanzmisere ist nur denkbar, wenn über Aspekte der Effizienz hinaus auch strukturelle Probleme – Legitimität, Repräsentation, Entscheidungsprozesse – angegangen werden. Die UNO müsste deshalb mit den unmittelbaren praktischen Konsequenzen des Geldmangels umgehen und gleichzeitig die tieferliegenden, strukturellen Probleme der Organisation angehen. Das scheint in der momentanen Weltlage eine fast unlösbare Aufgabe, die aber auch die Chance böte, der UNO wieder mehr Gewicht zu verleihen. Bisher hat die Führung der UNO diese Chance nicht wahrgenommen. Nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung und ausbleibendem politischen Willen herrscht dort offenbar nur in einem Punkt Einigkeit: Der Gürtel muss enger geschnallt werden. Die politische Zukunftsvorstellung dagegen bleibt unklar. Außerdem gehen die jüngsten UN80-Vorschläge vor allem von der Führungsebene aus und schließen betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. So erfuhren Letztere von den Kürzungsvorschlägen zuerst aus den Medien. In Genf protestierten zuletzt hunderte UNO-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen Stellenstreichungen, und die UNO-Gewerkschaft kündigte „entschlossenen Widerstand” an.[7] Zwar teilen nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kritik an den Reformvorschlägen, doch am 24. Juli verabschiedete die Gewerkschaft in Genf einen Misstrauensantrag gegenüber Guterres, die UN80-Gruppe und deren Leiter Guy Ryder. Es ist eine drastische Maßnahme, die zuletzt 2007 zum Einsatz kam. Beweggrund war vor allem Kritik an den „panischen“ Vorschlägen der Reforminitiative und der Tatsache, dass Vertreterinnen und Vertreter der Belegschaft dabei nicht einbezogen wurden.[8]
Reform ohne Zukunftsperspektive
Guterres’ Sprecher, Stéphane Dujarric, bezeichnete die Vorschläge in einer Pressekonferenz unmittelbar nach den Leaks als die „Visionen des Generalsekretärs“. Eine echte Zukunftsvision, die Mitarbeitende, Öffentlichkeiten und Regierungen überzeugen könnte, hat Guterres dagegen bisher nicht formuliert. Überschneidungen zu verringern und ineffiziente Strukturen umzubauen, kann zwar die UN-Arbeit verbessern, aber indem die Reformen vor allem auf kurzfristige Wirksamkeit abzielen, riskiert Guterres die längerfristige Anpassungsfähigkeit und damit Überlebenschancen der UN. Eine kaputt gesparte UNO würde strukturelle Probleme kaum lösen. Die vorgeschlagenen Superbehörden mit weniger Personal wären organisatorisch überfordert. Zugleich droht durch derlei Fusionen auch eine stärkere Zentralisierung – genau das Gegenteil davon, was die UN bräuchte: mehr Repräsentation und Legitimität. Jedenfalls leitet das UN80-Reformprogramm keinen positiven strukturellen Wandel ein. Links liegen bleiben dabei etwa regionale Stärkung, strengere Regeln gegen Beitragsverweigerung oder die Rekrutierung repräsentativerer Belegschaften durch bezahlte Praktika. Alles Maßnahmen, die den Ruf der Weltorganisation verbessern würden – und so auch die Zahlungsbereitschaft in einigen Mitgliedsstaaten fördern könnten.
Es ist noch nicht zu spät, hier nachzulegen. Obwohl das aktuelle Reformprogramm den Fokus auf Einsparungen legt, enthält es auch manche Vorschläge, die positive Impulse geben könnten – etwa Standortverlagerungen in den Globalen Süden. Diese gilt es aufzunehmen und auszubauen. Gegen den Trend zur rein nationalstaatlichen Machtpolitik müsste die UNO selbst aktiv werden, um die Öffentlichkeiten für die multilaterale Ordnung wiederzugewinnen. Auch in der EU: Denn auch die Befürworterinnen und Befürworter der Wiederaufrüstung Europas werden kaum abstreiten können, dass die Vereinten Nationen nicht zuletzt für die Bewältigung von gewaltsamen Konflikten, für die Wiedergewinnung von Stabilität und für langfristigen Frieden unabdingbar sind. Verteidigungspolitik muss deshalb in erster Linie Friedenspolitik sein – und dafür braucht die UNO gerade auch aus Europa Geld und Unterstützung. Statt zu versuchen, Trump gnädig zu stimmen[9], sollten die europäischen Staaten gemeinsam mit Ländern wie Brasilien versuchen, eine regelbasierte Weltordnung zu verteidigen. Dazu gehören eine zukunftsgewandte Reform und Stärkung des UN-Systems.
Stattdessen droht der UNO, weil sie immer weniger verlässliche Mittel von Staaten bekommt, eine verstärkte Abhängigkeit von privaten Spendern. Schon seit den 1980ern stützt sich die UN auf private Gelder – teils pauschal, teils zweckgebunden. Letztere, die sogenannten earmarked contributions, sind besonders problematisch, da sie direkten Einfluss auf die Umsetzung und Priorisierung von UN-Mandaten ausüben. So finanzierte die Coca-Cola Company beispielsweise UN-Projekte zur Förderung von Unternehmerinnen – in Betrieben innerhalb der Lieferketten des Konzerns. Die Gates-Stiftung war zwischen 2014 und 2017 der zweitgrößte WHO-Geldgeber nach den USA.[10] Solche Kooperationen gefährden die Unabhängigkeit und für viele auch die Glaubwürdigkeit der UN. Hinzu kommt die Frage, welchen weiteren Veränderungen derlei Abhängigkeiten und Instrumente den Boden bereiten. Die Organisation „DOGE-UN“, mitbegründet vom ehemaligen serbischen Außenminister Vuk Jeremic´, wirbt etwa für eine „hocheffiziente“ Reform der UN – Gerüchten zufolge mit Blick auf seine Kandidatur als Nachfolger von Guterres im Jahr 2027.[11] Die Nähe zu neoliberalen bis rechtspopulistischen Denkweisen ist offensichtlich. Eine entstaatlichte, von Spenderinteressen gesteuerte UNO – wäre das noch eine multilaterale Organisation?
Das UN80-Vorhaben könnte mit seiner Betonung von Effizienz und Bürokratieabbau einer solchen Entwicklung den Boden bereiten. Warum etwa sind es ausgerechnet die Feldmitarbeiterinnen und Feldmitarbeiter, die am stärksten von den Kürzungen betroffen sind? Warum bestimmt das obere Management allein die Debatte? Warum werden UNO-Gewerkschaften nicht einbezogen? Ignoranz gegenüber strukturellen und historischen Entwicklungen – ob in Bezug auf die Zusammensetzung des Sicherheitsrats oder die globale Machtverschiebung – hat in den letzten zwei Jahrzehnten bereits viel Vertrauen gekostet. Und bisher zeichnen sich keine Kräfte ab – weder innerhalb der UNO noch unter den Mitgliedsstaaten –, die einen anderen Kurs überzeugend formulieren, geschweige denn durchsetzen können.
Und so droht eine aus der Not geborene Reform im Zeichen der Effektivität. Aber Effektivität ohne Legitimität – Handlungsfähigkeit ohne Handlungsberechtigung – mündet in die Selbstabschaffung. Eine UN, die ihre eigene Rechtfertigung gegen Sparmaßnahmen eintauscht, setzt ihre Zukunft aufs Spiel.
[1] Why Does the United States Refuse to Pay Its U.N. Bill?, nytimes.com, 7.8.1988.
[2] UN chief calls for major reforms to cut costs and improve efficiency, news.un.org, 12.5.2025.
[3] Eugene Chen, The Liquidity Crisis at the United Nations, New York 2024.
[4] H.R.1146 – To end membership of the United States in the United Nations, congress.gov, 16.2.2007.
[5] Secretary-General’s address to the General Assembly, un.org, 19.9.2023.
[6] Margot Tudor, Blue Helmet Bureaucrats: United Nations Peacekeeping and the Reinvention of Colonialism, 1945-1971, Cambridge 2023.
[7] Our position on the memo on the relocation of jobs from Geneva, unogstaffunion.org, 1.5.2025.
[8] Staff adopt motion of no confidence in the Secretary-General and UN80, unogstaffunion.org, 24.7.2025.
[9] Vgl. Steffen Vogel, Selbstverschuldet erpressbar: Europa im Ukrainekrieg, in: „Blätter“, 9/2025, S. 5-8.
[10] Karolin Seitz und Jens Martens, Philanthrolateralism: Private Funding and Corporate Influence in the United Nations, in „Global Policy”, 8/2017, S. 46-50.
[11] This Serbian May Run for UN Secretary-General Again, Experts Say, passblue.com, 21.3.2025.