Ausgabe November 2025

Nostalgie als Waffe

Wie Russland Geschichte benutzt, um Krieg zu führen

Eine Stalin-Büste wird aufpoliert, Skulpturenpark Moskau, 19.4.2025 (IMAGO / Grigory Sysoev / Sputnik Moscow Russia)

Bild: Eine Stalin-Büste wird aufpoliert, Skulpturenpark Moskau, 19.4.2025 (IMAGO / Grigory Sysoev / Sputnik Moscow Russia)

Das menschliche Gedächtnis ist trügerisch und äußerst instabil. Sein Inhalt wird durch jede Schicht neu gesammelter Erfahrungen verändert, ebenso durch die Emotionen, die wir beim Abrufen empfinden, und durch die Informationen, denen wir ausgesetzt sind. „Erinnern ist nicht die Wiederbelebung unzähliger fester, lebloser und fragmentarischer Spuren. Es ist eine imaginative Rekonstruktion“, fasste der britische Psychologe Frederic Bartlett bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Reihe von Experimenten zur Rekonstruktion von Erinnerungen zusammen.[1] Zwischen objektiver Realität und Fake News zu unterscheiden, die Konzentration unter den Bedingungen der Aufmerksamkeitsökonomie zu bewahren und den kritischen Verstand zu schärfen, sind die Herausforderungen des heutigen Menschen. Hin- und hergerissen zwischen dem weißen Rauschen des Informationschaos und der kapitalistischen Rhetorik, die uns als Nutzer und Käufer statt als Denker, Erfinder und Schöpfer sieht, scheinen wir das Gedächtnisspiel zu verlieren. Zudem wird das falsche Erinnern durch die technologische Entwicklung verstärkt. Laut Eric Schmidt, dem ehemaligen Google-Vorsitzenden, erschaffen wir derzeit in nur zwei Tagen so viele Informationen wie seit Anbeginn der Zivilisation bis zum Jahr 2003.[2] Das exponentielle Wachstum der neu generierten Daten muss unsere Beziehungen zur Welt und zu uns selbst beeinflussen.

»Blätter«-Ausgabe 11/2025

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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