Tony Blairs flotter Spruch, er wolle weder links noch rechts, sondern vielmehr "vorne" sein, kokettiert zweifellos mit der verbreiteten Ansicht, die Orientierungsmarken "links" und "rechts" seien bestenfalls noch geeignet, der "Neuen Mitte", nach der sich alles drängt, ein wenig historische Kontur zu verleihen. Wie soll man in der Tat diesem symbolpolitisch attraktiven, aber eher farblosen Ort Glanz verleihen, wenn man nicht gelegentlich mit den "Extremen" droht; Bewährte Deutungs- und Orientierungsmuster werden unweigerlich neu aufgeladen, wenn die historische Machtkonstellation umbricht, die sie getragen hat. Und neue Orientierungsmuster haben nur dann eine Chance, wenn sie auch vergangene Erfahrungen ins rechte Licht rücken. Kontinuierliche Verwendung und diskontinuierliche Bedeutung - das kann man getrost als "Normalität" solcher Orientierungsschemata ansehen. Ich möchte einige Vermutungen darüber anstellen, welche Kräfte den öffentlichen Verkehrswert des Links-Mitte-Rechts-Schemas nach 1990 verschoben haben, teils bestimmt durch den Kontakt des Schemas mit den historischen Ereignissen, teils durch den Druck längerfristiger Verschiebungen im massendemokratischen Macht- und Öffentlichkeitsgefüge.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.