Gegenwart und Zukunft der Anthropotechnik
Peter Sloterdijks Elmauer Rede („Die Zeit“, 16. September 1999) hat in der deutschen Öffentlichkeit eine heftige Kontroverse hervorgerufen. Unter der Überschrift „Regeln für den Menschenpark“ entwickelte dieser Vortrag neben anderem auch die These, daß der Humanismus als Aufklärungs-und Erziehungsprogramm des Menschen versagt hat. Er fragt: Was zähmt den Menschen, wenn der Humanismus als Schule der Menschenzähmung scheitert? Sloterdijk verschärft die These noch, indem er das 20. Jahrhundert als Periode der Titanomachie anthropotechnischer Gewalt in den Gestalten von Bolschewismus, Faschismus und Amerikanismus deutet (eine etwas seltsame Zusammenstellung) und den Humanismus als Komplizen von Greueln beschreibt. Eine solche These wird man nicht einfach abweisen können, angesichts von Massentötungen und Vertreibungen am Ende dieses Jahrhunderts: Vietnam, Kambodscha, Ruanda, Bosnien, Kosovo, Osttimor und viele weitere Stichworte stehen für den empirischen Beleg.
Es ist nicht so sehr diese Problemstellung, die provoziert, sondern das assoziative Begriffsfeld, in dem Sloterdijk sein Thema philosophiehistorisch entwickelt und gesellschaftspolitisch in die Zukunft fortschreibt.