Ausgabe Dezember 2001

Mit Zappen gegen Anthrax

So titelte der Zürcher "Tages-Anzeiger" am 30. Oktober auf seiner "Kehrseite". Der Zappen ist ein ebenso wirkungsvolles wie einfaches Gerät aus dem Angebot eines Schweizer Versandunternehmens: zwei Metallgriffe, zwei Kabel, eine Batteriestation. "Schaltet man es ein und umfasst die beiden Griffe mit den Händen, fliesst mit einer Spannung von fünf bis neun Volt Strom durch den Körper ... Innert drei bis sieben Minuten tötet der Strom Viren, Bakterien, Pilze und Milben im Körper" und wirke daher - so der Anbieter - auch gegen den gefürchteten Milzbrand.

Was hat dieses merkwürdige Gerät mit den "Anti-Terror-Gesetzen" zu tun, die Otto Schily und seine Kollegen Polizeiminister quer durch die "westliche Zivilisation" derzeit durchpeitschen? Antwort: Weder der Zappen noch die genannten Gesetze leisten einen ernsthaften Beitrag zur Verhinderung von Anschlägen oder gegen biologische Kampfstoffe. An einem Punkt erweist sich das schweizerische Gerät allerdings als haushoch überlegen: Wer daran glaubt, fühlt sich sicherer und hat weniger Angst. Schilys Gesetze dagegen schüren die Angst. Sie brauchen den Horror vor den unerkannten "Schläfern", die Polizei und Geheimdienste insbesondere unter MigrantInnen, Asylsuchenden und Eingebürgerten aufspüren sollen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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