Wie aus Tätern Opfer werden
Am 21. Januar verlassen die sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten bei der Schweigeminute "für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" demonstrativ geschlossen den Plenarsaal. In der anschließenden, auf Antrag der NPD-Fraktion zustande gekommenen aktuellen Stunde zum 60. Jahrestag der Bombardierung von Dresden sprechen die NPD-Abgeordneten Holger Apfel und Jürgen Gansel offen vom "Bomben-Holocaust".
Dezidierter und kalkulierter ist in der Geschichte der Bundesrepublik die Verkehrung der Unterscheidung von Opfern und Tätern bis dahin noch nicht betrieben worden. Dabei stellt der Skandal von Dresden nur den vorläufigen Höhepunkt einer langen Geschichte der Schuldabwehr und Schuldverkehrung dar. Diese reicht bis zu den Anfängen der Bundesrepublik zurück – und erlebt in den vergangenen Jahren eine fatale Renaissance. Weit über das rechtsradikale Spektrum hinaus mehren sich die Anzeichen für einen Rückfall in die Deutungsmuster der 50er Jahre, in denen sich die Deutschen als Hitlers erste – und eigentliche – Opfer verstanden.1
"Wer sind denn wirklich die Kriegsverbrecher?" So fragte rhetorisch, im Oktober 1952, Bernhard Ramcke beim ersten Nachkriegstreffen der Waffen- SS in Verden an der Aller. Die Antwort des Fallschirmjäger-Generals a. D.