Ausgabe Juli 2005

Zocken leicht gemacht

Kaum eine Zunft versteht sich besser auf die einfühlsame Pflege der politischen Landschaft als die Spielautomatenbranche. Dergleichen ist auch bitterlich vonnöten, denn schließlich handelt es sich um eines der umstrittensten Gewerbe im Lande. Fast 200000 Geldspielgeräte stehen in deutschen Kneipen und Spielhallen. Jedes bringt pro Jahr an die 20 000 Euro. Und von jedem Euro Spieleinsatz werden im Durchschnitt nur 52 Cent wieder als Gewinn ausgeschüttet. Der Rest verbleibt beim Betreiber und beim Staat. Wandern die ausgeschütteten Gewinne wieder in den Geldschlitz, so sind nach drei Durchgängen folglich etwa 6 von 7 Euro verschwunden.

Dass bei derart geringen Chancen überhaupt gespielt wird, erscheint als rätselhaft. Doch kaum jemand durchblickt das so genau. Und wie Fische von blinkenden Angelhaken werden Menschen vom Brimborium aus Gebimmel, kaleidoskopischen Farbspielen und Flackerlämpchen angezogen. Etwa 3,8 Mrd. Euro pro Jahr verzockt allein in diesen Klimperkisten – das ist fürwahr kein Pappenstiel. Doch alarmierender als dieser Milliardenverlust insgesamt ist dessen Verteilung. Es trifft vor allem die ganz Armen: Männer, die von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld leben, auch Familienväter, vergeuden oft in wenigen Stunden alles an Barem, pumpen noch bei Kumpeln und Kredithaien und verschulden sich heillos.

Es ist paradox, dass diese so gut wie aussichtslose Lotterie eine solche Suchtwirkung erzeugt.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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