Ausgabe Dezember 2005

Sozialstaat im Zangengriff

Nach der Bundestagswahl vom 18. September 2005 wurde das überraschend schlechte Abschneiden der CDU/CSU und ihrer Kanzlerkandidatin Angela Merkel selbst von eigenen Anhängern auf Defizite im sozialen Bereich zurückgeführt. Vor allem die Debatte um den früheren Verfassungsrichter Paul Kirchhof und sein extrem ungerechtes Steuermodell hatte den Unionsparteien geschadet. Umgekehrt war die SPD wohl nur deshalb nicht – wie erwartet – in der Wählergunst eingebrochen, weil Gerhard Schröder im Wahlkampf die „Seele“ der Partei angesprochen, sich mehr am Grundsatzprogramm der Sozialdemokratie orientiert und seiner Herausforderin „soziale Kälte“ vorgeworfen hatte.

Wie der Koalitionsvertrag beweist, scheinen beide Lager die zentrale Lehre aus dem Wahlergebnis, dass nur siegreich sein kann, wer den Sozialstaat verteidigt, jedoch schon wieder verdrängt zu haben. Mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde ausgerechnet das am wenigsten ausgewogene Reformkonzept realisiert. Hier zeichnet sich bereits ab, dass sich die Große Koalition nicht um die Interessen der kleinen Leute scheren, sondern den seit Helmut Schmidts Kanzlerschaft eingeschlagenen Regierungskurs fortsetzen wird.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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