Ausgabe Dezember 2009

Utopie und Anti-Utopie

Das Prinzip Hoffnung im kosmopolitischen Zeitalter

Die Verleihung eines Preises, der im Namen eines großen Denkers gestiftet wird, bringt den Preisträger unmittelbar in die Position, über mögliche Affinitäten, gar Einflüsse nachzudenken, die das Werk dieses Denkers auf die eigene Arbeiten ausgeübt hat. In meinem Fall war das nicht sonderlich schwer: Mein erstes Buch, „Critique, Norm and Utopia: A Study of the Foundations of Critical Theory“, das 1986 in englischer Sprache erschienen und 1992 ins Deutsche übersetzt worden ist, endet mit folgenden Worten Ernst Blochs: „Das Problem eines Erbes am klassischen Naturrecht ist suo modo ebenso dringend, wie es dasjenige an sozialen Utopien war. Soziale Utopien und Naturrecht hatten ein sich ergänzendes Anliegen im gleichen humanen Raum; getrennt marschierend, leider nicht vereint schlagend […]. Die Sozialutopie ging auf menschliches Glück, das Naturrecht auf menschliche Würde. Die Sozialutopie malte Verhältnisse voraus, in denen die Mühseligen und Beladenen aufhören, das Naturrecht konstruierte Verhältnisse, in denen die Erniedrigten und Beleidigten aufhören.“1 Was an der zitierten Stelle von so zentraler Bedeutung ist, ist das Insistieren auf den Begriff der Utopie – und das gerade trotz des Niedergangs der „Philosophie des singulären Kollektivsubjekts“. Lassen Sie mich meine Perspektive hierzu im Folgenden erläutern.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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