Ausgabe Mai 1991

Die Leipziger Montagsdemos.

Wandlungen einer basisdemokratischen Institution

Die Prophezeiung eines heißen Herbstes sozialer Kämpfe traf nicht ein, sie bewahrheitet sich erst jetzt, allerdings nur als ein Frühling müder Klagen. Zudem war dieser Frühling kurz - von den Gewerkschaften als Reaktion auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch in Ostdeutschland ausgerufen, inszeniert und schließlich nach kleinen Erfolgen wieder eingefroren. Das verwundert um so mehr, als die Demo noch kurz vor ihrem neuerlichen Versiegen als Tradition der Arbeiterbewegung vereinnahmt und die Bürgerbewegungen zu bloßen Stichwortgebern ("Keine Gewalt!") degradiert wurden. Die "Einheitsfront" von Gewerkschaften und Bewegungen glimmte so nur schwach in einigen Reden, auf dem Platz bzw. beim Umzug war sie nicht erlebbar. Ist die Kluft zwischen der Arbeiterschaft und den neuen Bewegungen in Ostdeutschland noch tiefer, sind ihre Interessen nach 40 Jahren Realsozialismus noch divergenter als in den alten Ländern?

Gibt es hier gar tieferliegende, bislang unerkannte Konflikte? Betrachtet man den Verlauf und den Charakter der Montagsdemos, so sind sie ein relativ genaues Barometer nicht nur der emotionalen Situation, sondern auch der Mobilisierungs- und Handlungsbereitschaft sowie der Potenzen zur Konfliktlösung, über die die agierenden sozialen Kräfte verfügen. Von Beginn an artikulierten sich auf dem Leipziger Ring nicht nur spezifische Probleme der Stadt bzw.

Mai 1991

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