Macht die neue Freiheit in Europa die Europäische Gemeinschaft zu einem Anachronismus? Die Tochter des Kalten Krieges und der Spaltung Deutschlands wollte den Frieden zwischen den Staaten im westlichen Teil Europas durch ihre immer engere Verflechtung in einer supranationalen Organisation dauerhaft machen. Heute ist die ideologische und politische Spaltung Deutschland und ganz Europas überwunden, der Ost-West-Konflikt beendet, und mit Haß und Blut gedüngt wachsen neue Nationalismen aus den Trümmern der kommunistischen Diktaturen im Osten und Südosten des Kontinents. Die "anachronistische" EG ist die Hoffnung des neuen Europa.
Österreich und Schweden wollen und werden der Gemeinschaft in wenigen Jahren angehören. Finnland und sogar die Schweiz wenden sich der EG zu. Ungarn, Polen und die CSFR werden Ende 1991 vertraglich mit der EG assoziiert sein, und wenig später werden sie die Beitrittsanträge aus den Schubladen holen. Bulgarien und Rumänien warten darauf, daß die EG-Kommission grünes Licht für die Aufnahme von Assoziierungsverhandlungen erhält. Slowenien und Kroatien erwarten nicht nur politische und ökonomische Hilfe, sondern die Einbindung in eine europäische Struktur. Den baltischen Staaten macht der deutsche Außenminister, und nicht nur er, Hoffnung auf eine baldige Assoziierung mit der EG.