Ausgabe Juli 1994

Nation, Volk, Staat

Die Wiederbelebung alter Kameraden aus dem semantischen Inventar der deutschen Rechten

Das Krisengerede schwillt an, die Katastrophenmeldungen häufen sich: Krise der Werte, Krise der Moral, Krise der Erziehung, Krise des Standorts, Krise des Arbeitsmarkts, Krise der Vereinigung - schlechthin die Krise der Gesellschaft. Und dann erst die Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung mit den apokalyptischen Folgen für die Menschheit! Der Hinweis, für das Krisengerede und die Katastrophenmeldungen seien die Medien verantwortlich, kann nicht als Beruhigungsmittel dienen. Die Probleme sind nicht simuliert, sondern augenfällig. Sie lassen sich nur bedingt nationalstaatlich lokalisieren. Sie haben in einem sozialen und politischen, in einem ökonomischen und ökologischen Sinn längst eine universell-weltweite Dimension angenommen. Wo bleibt da die von vielen erhoffte Renaissance des Politischen?

Wo sind die nötigen Analysen und Konzepte? Jüngst verlangte der Soziologe Ulrich Beck, "die Sprache für eine Reformpolitik zu öffnen" ("Freitag", 25. März 1994). Den Zustand der gegenwärtigen politischen Sprache kann er nur als "Misere" bezeichnen. "Überall werden die gleichen Leerformeln wiederbelebt - Wirtschaftswachstum, Arbeitsplatzsicherung, technischer Fortschritt, soziale Sicherheit". Deshalb plädiert er dafür, "die Sprache des Politischen neu zu erfinden".

Juli 1994

Sie haben etwa 3% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 97% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Micha Brumlik: Ein furchtloser Streiter für die Aufklärung

von Meron Mendel

Als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfiel und anschließend der Krieg der Netanjahu-Regierung in Gaza begann, fragten mich viele nach der Position eines Mannes – nach der Micha Brumliks. Doch zu diesem Zeitpunkt war Micha bereits schwer krank. Am 10. November ist er in Berlin gestorben.