Ausgabe Juni 1995

Zwei Sieger in Frankreich

Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich haben dem Land zwei Sieger beschert. Zum einen den Gaullisten Jacques Chirac, der es im dritten Anlauf endlich geschafft hat, in den Elysée einzuziehen, zum andern den Sozialisten Lionel Jospin, dem man nach seinem guten Wahlergebnis zutraut, den lädierten PS (Parti Socialiste) zu erneuern und in eine nach-mitterrandistische Zeit zu führen. Chirac erhielt 52,6% der Stimmen und Jospin 47,4%, was tatsächlich beide als Erfolg werten können.

Trotzdem scheinen die Franzosen weder von Chirac noch von Jospin voll überzeugt zu sein. Neben einer vergleichsweise geringen Wahlbeteiligung (besonders im ersten Wahlgang) von wenig mehr als 80% sollte auch die gestiegene Anzahl ungültiger Stimmen (6%) nicht übersehen werden. Sie drücken ebenso wie der Zulauf an Wählern zur extremen Rechten und Linken im ersten Wahlgang einen Protest gegen die etablierten Parteien aus. Auch die Unentschlossenheit 1) vieler Wähler ist beunruhigend. Laut Umfragen soll fast jeder Zweite seine Stimme nur deswegen vergeben haben, weil er einen Sieg des anderen Kandidaten verhindern wollte, nicht aber weil er mit Person und Programm seines Kandidaten übereingestimmt hätte.

Juni 1995

Sie haben etwa 8% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 92% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Januar 2026

In der Januar-Ausgabe skizziert der Journalist David Brooks, wie die so dringend nötige Massenbewegung gegen den Trumpismus entstehen könnte. Der Politikwissenschaftler Philipp Lepenies erörtert, ob die Demokratie in den USA in ihrem 250. Jubiläumsjahr noch gesichert ist – und wie sie in Deutschland geschützt werden kann. Der Politikwissenschaftler Sven Altenburger beleuchtet die aktuelle Debatte um die Wehrpflicht – und deren bürgerlich-demokratische Grundlagen. Der Sinologe Lucas Brang analysiert Pekings neue Friedensdiplomatie und erörtert, welche Antwort Europa darauf finden sollte. Die Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres erläutern, warum die Abhängigkeit von Öl und Gas Europas Sicherheit gefährdet und wie wir ihr entkommen. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski erklärt, wie wir im Umgang mit Künstlicher Intelligenz unsere Fähigkeit zum kritischen Denken bewahren können. Und die Soziologin Judith Kohlenberger plädiert für eine »Politik der Empathie« – als ein Schlüssel zur Bekämpfung autoritärer, illiberaler Tendenzen in unserer Gesellschaft.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Ukraine: Zwischen Korruption und Diktatfrieden

von Yelizaveta Landenberger

Anfang Dezember herrschte rege Pendeldiplomatie, während die Bombardierung ukrainischer Städte und die russischen Vorstöße an der Front unvermindert weitergingen. Völlig unklar ist, ob der im November bekannt gewordene US-»Friedensplan« auch nur zu einem Waffenstillstand führen kann.

Vom Einsturz zum Aufbruch: Die Protestbewegung in Serbien

von Krsto Lazarević

Rund 110 000 Menschen füllen am 1. November die Fläche vor dem Hauptbahnhof in Novi Sad, um der Opfer zu gedenken, die ein Jahr zuvor unter dem einstürzenden Vordach starben. Für die seit Monaten Protestierenden steht der Einsturz nicht für ein bauliches, sondern für ein politisches und gesellschaftliches Versagen: ein sichtbares Symbol für Korruption und ein zunehmend autokratisches System.

Der Kampf um Grönland: Versöhnung als Geopolitik

von Ebbe Volquardsen

Die Stadt Karlsruhe könnte schon bald vor einem Dilemma stehen. Im Januar 2025 zeichnete sie ihren langjährigen Stadtvertreter Tom Høyem (FDP) mit der Ehrenmedaille aus. In den 1980er Jahren war der gebürtige Däne, mittlerweile auch deutscher Staatsbürger, Dänemarks letzter Minister für Grönland – ein Amt aus der Kolonialzeit.