Ausgabe März 1997

Das Laster der Erinnerung

Daß die Ermittlungen der Mailänder Staatsanwälte und Richter gegen führende Politiker und Unternehmer seit 1992 die politische Landschaft Italiens verändert haben, wurde hierzulande von vielen mit der gemütvollen Überzeugung registriert, man habe es ja schon immer gewußt, wie korrupt die da unten seien. Dabei wird meist übersehen, wie erstaunlich es ist, daß Staatsanwälte und Richter in der Lage waren und sind, derartige Ermittlungen gegen Träger der ökonomischen und politischen Macht des Landes nicht nur aufzunehmen, sondern auch zu Ende zu führen. Hat sich hier ausgewirkt, daß in Italien, anders als in Deutschland, auch Staatsanwälte nicht einem Minister sondern dem consiglio superiore della magistratura zugeordnet sind und damit weitgehende persönliche und sachliche Unabhängigkeit genießen? Mancher wird sich erinnern, daß auch in Deutschland Anfang der 80er Jahre nicht unbedeutende illegale Zuwendungen an Politiker öffentlich wurden, ohne daß es zu vergleichbaren strafrechtlichen Sanktionen kam. Sicher hatte die Korruption nicht das italienische Ausmaß erreicht, aber manches spricht auch dafür, daß die Ermittlungen nicht mit vergleichbarem Nachdruck geführt wurden.

Illegale Parteifinanzierung und Flick-Skandal

Die illegale Parteifinanzierung war auch in der Bundesrepublik quasi die Regel.

März 1997

Sie haben etwa 11% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 89% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.