Am 24. März verkündete das Appellate Committee des britischen Oberhauses, das höchste Gericht im Rechtssystem Großbritanniens, sein Urteil im Fall Pinochet: Der Senator auf Lebenszeit und ehemalige Militärdiktator Chiles, Augusto Pinochet, darf an Spanien ausgeliefert werden, um dort wegen Folter vor Gericht gestellt zu werden. 1) Weitere Anklagepunkte im spanischen Auslieferungsgesuch - einschließlich Mord, versuchter Mord und Geiselnahme ließ die Mehrheit der Richter nicht gelten. Das Urteil wurde zunächst von Anhängern und Gegnern des ehemaligen Generals gleichermaßen als Triumph gefeiert - eine verblüffende Reaktion, die einige Kommentatoren dazu veranlaßte, von einem salomonischen Urteil zu sprechen. Konfus wäre eine treffendere Bezeichnung; als Meilenstein in der Entwicklung des internationalen Schutzes der Menschenrechte wird das Urteil gewiß nicht in die Rechtsgeschichte eingehen. Trotz der hervorragenden Bedeutung dieses Präzedenzfalles ist es schwer vorstellbar, daß die Rechtssprechung der Lordrichter Einfluß auf Entscheidungen ausländischer Gerichte ausüben wird - obwohl die internationale Rechtssprechung eine wichtige Quelle des Völkerrechts darstellt und gerade im Fall Pinochet starke Berücksichtigung fand. Britische Gerichte, die an das Urteil gebunden sind, werden Mühe haben, es umzusetzen.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.