Die algerischen Präsidentschaftswahlen vom 15. April haben die Versprechen des Wahlkampfs nicht erfüllt. Der Rückzug der Kandidatur von sechs der sieben Bewerber (Mouloud Hamrouche, Ahmed Taleb Ibrahimi, Hocine Ait-Ahmd, Youcef Kalib, Abdullah Djaballah und Mokdad Sifi) hat das regierungsamtliche Ergebnis jeder Glaubwürdigkeit geraubt und dem neuen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika - wie zu Zeiten der Einheitspartei einziger Kandidat - einen schwierigen Start bereitet. Er hat das höchste Amt im Staat ohne die Legitimität angetreten, die er zur Stabilisierung der Lage eines seit sieben Jahren in der politischen Krise steckenden Landes gebraucht hätte. Der von den anderen Kandidaten kritisierte Status quo ist so erhalten geblieben. Zumindest an der Oberfläche hat sich seit der Ära von Bouteflikas Vorgänger, Liamine Zeroual, nichts geändert. Es genügt, sich das aktuelle politische Personal anzuschauen, das identisch geblieben ist - weder im Wahlkampf noch nach der Wahl ist in Ahdelaziz Bouteflikas Umfeld eine einzige unverbrauchte Persönlichkeit aufgetaucht -, um festzustellen, daß das herrschende System sich selbst perpetuiert hat.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.