Auch wenn sich die rotgrüne Bundesregierung für einige ihrer Reformvorhaben ein Jahr Bedenkzeit erbeten hat, wird man nicht so lange warten müssen, um festzustellen, daß es um das "Projekt", für das diese Farbenkombination einmal stand, nicht besonders gut bestellt ist. Der "soziale und ökologische Umbau" der Industriegesellschaft ist auf politischer Ebene in weite (?) Ferne gerückt, ins Reich der Utopie - nachdem man ihn zu Oppositionszeiten in mancherlei Hinsicht erstaunlich weit durchdefiniert und konkretisiert, damit unterstrichen hatte, daß es sich gerade nicht um ein realitätsfremdes Vorhaben verbohrter Weltverbesserer handelt. Und doch können die Elemente dieses Alternativprogramms nun die offenbar noch viel strengeren "Realitätskriterien" des Regierungshandelns nicht erfallen. Derweil erwecken merkwürdig aufgeblähte Diskussionen um bislang wenig substanzhaltige Alternativen la "Dritter Weg", aber auch ein mehr oder weniger beharrliches Schweigen zum Thema Arbeitslosigkeit den Eindruck, Realitätstüchtigkeit und Realitätssucht in Kanzleramt und Ministerien hätten unsere derzeit führenden Politiker der gesellschaftlichen Wirklichkeit eher entfremdet als nahe gebracht ... Andreas Kleinsteuber war unter anderem Mitarbeiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Fraktionsreferent bei Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Campaigner bei Greenpeace und Moderator im Wettbewerb Regionen der Zukunft.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.