Ausgabe Oktober 2000

Der Fall Österreich, Neue Folge

Von wiedererlangter Würde

Rechts, wo man schon immer die vermeintlichen Sanktionen als Sakrileg, als Kapitalvergehen gegen die "freie demokratische Selbstbestimmung" gegeißelt hatte 1), wurde der Österreich-Bericht von Martti Ahtisaari, Jochen Frowein und Marcelino Oreja nach Kräften bejubelt. In den mittleren Lagen las sich das etwas anders, lief aber auf dasselbe hinaus: Sicherlich sei das ganze gut gemeint gewesen. 2) Die allgemeine Erleichterung galt der schlußendlichen Empfehlung des "Weisenrates", und die fiel eindeutig aus: Die "Maßnahmen" der vierzehn EU-Mitgliedstaaten gegen die schwarzblaue Regierung Österreichs sollten, weil tendenziell kontraproduktiv, aufgehoben werden. 3) Also zelebrierte man das verdiente Ende einer "politische[n] Dummheit" 4), ohne es dabei zu belassen. Denn manche wähnten sich in ihrer Kritik an der geschichtspolitischen Selbstverortung Europas bestätigt und im Aufwind: "Die Holocaust-Konferenz von Stockholm Anfang dieses Jahres und die sich unmittelbar anschließenden Sanktionen der Europäischen Union gegen Österreich waren als Fanal einer globalisierten Erinnerungskultur zu verstehen, deren Kennzeichen nicht zuletzt die umstandslose Vereinnahmung durch die internationale Tagespolitik ist.

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