Ausgabe Januar 2005

Folter vor Recht

Das Elend des repressiven Liberalismus

Nach dem Beginn des Folter-Prozesses gegen den früheren Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, und dessen beharrlicher Verweigerung jeglicher Schuldeinsicht schlägt die Debatte um die Legitimität von Folter neue Wellen. Während "die tageszeitung" die Höchststrafe für Daschner, nämlich fünf Jahre Haft für die "Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat", fordert, plädiert Michael Naumann für "Die Zeit" dafür, dass der Bundespräsident Daschner sofort begnadigen solle, wenn er denn überhaupt verurteilt wird.1 Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung halten die Tat Daschners sogar für gerechtfertigt.

Die gleiche Bevölkerung, auch Michael Naumann, hat sich dagegen vor nicht allzu langer Zeit über US-amerikanische Folterer in Abu Ghraib, Guantánamo Bay oder den Bergen Afghanistans empört. Es gibt in der Tat gute Gründe für eine unterschiedliche, ja widersprüchliche Reaktion, da das Ausmaß der Taten sehr verschieden ist. Die Politik der amerikanischen Regierung und ihres Präsidenten, die das Foltern in Afghanistan, im Irak und in Guantánamo Bay erlaubt, unterstützt, angeordnet und den Chef der Folterknechte zum neuen amerikanischen Innenminister ernannt haben, verdient moralische Entrüstung.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.