Ausgabe Juli 2006

Globalisierung, Armut und Gewalt

Nach dem Ende des Kalten Krieges beherrschte für kurze Zeit ein optimistisches Szenario die Diskussion: Auf der Grundlage eines wachsenden Bewusstseins von der „Einen Welt“ werde ein „globales Dorf“ entstehen. Allen Menschen würden ihre Würde und gleiche Rechte garantiert. Die Verteilung der begrenzten Naturressourcen könne so gestaltet werden, dass die „Hochverbraucher“ in den Industrieländern ihre Nachfrage nach Naturressourcen deutlich reduzierten. Die benachteiligten Bewohnerinnen und Bewohner der südlichen Erdhalbkugel sollten indes in die Lage versetzt werden, endlich autonome gesellschaftliche Projekte zu verfolgen. Wichtigste Voraussetzung dafür, so das gängige Theorem vom „Ende der Geschichte“ nach dem Niedergang des real existierenden Sozialismus, sei der Ausbau der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen.

Anderthalb Jahrzehnte später stellt sich die Welt völlig anders dar, als in den hoffnungsvollen Szenarien vorausgesagt. Heute wird die Erfahrung zunehmender wechselseitiger Abhängigkeit von einer Mehrheit der Menschen eher als eine Bedrohung erfahren. Abgesehen von „Globalisierungsgewinnern“, die es – freilich in unterschiedlicher Zahl – in allen Gesellschaften gibt, entwickelt sich die globalisierte Welt für viele Menschen immer mehr zu einem globalen Apartheidregime.

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