Ausgabe Oktober 2007

Die Hartz-IV-Republik

Demütigung statt Förderung

Die Schlagzeilen könnten unterschiedlicher nicht sein. „Aufschwung kommt auch bei Langzeitarbeitslosen an“, verkündete die Bundesregierung am 31. Mai bei der Veröffentlichung der neuen Arbeitslosenzahlen. „Der Aufschwung geht an vielen Menschen vorbei“, titelte nur sechs Wochen später die „Stuttgarter Zeitung“, nachdem das örtliche Sozialamt zusammen mit dem Jobcenter eine neue Armutsstatistik vorgelegt hatten.1

Auf den ersten Blick scheinen weniger die Stuttgarter Ämter, als vielmehr die Bundesregierung die Lage zutreffend wiederzugeben, zählte man doch im Mai 2007 rund zwölf Prozent oder 355 000 Langzeitarbeitslose weniger als ein Jahr zuvor. Auch die Zahl der sogenannten „Bedarfsgemeinschaften“ – das sind alle Haushalte, die zusammen wirtschaften und Arbeitslosengeld II (ALG II) erhalten – nahm innerhalb eines Jahres um über 300 000 ab.2 Der Aufschwung scheint also in der Tat bei den Langzeitarbeitslosen angekommen zu sein.

Nimmt man jedoch nicht nur die Zahl der „Bedarfsgemeinschaften“, sondern die Gesamtzahl der Menschen, die ALG II beziehen, in den Blick, ändert sich das Bild: Sie ist im Mai auf 7,4 Millionen Personen angewachsen.3 Nach Haushaltsgrößen aufgeschlüsselt zeigt sich ein interessanter Trend: Zwischen Mai 2006 und Mai 2007 sank die Zahl der ALG II beziehenden Ein-Personen- Haushalte um 17 Prozent.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Arbeit

Flucht vor der Verantwortung: Lieferkettengesetze am Ende?

von Merle Groneweg

Der 11. September erinnert nicht nur an den Einsturz des World Trade Centers in New York, sondern auch an eine der schwersten Katastrophen in der Textilindustrie: den Brand in der Fabrik Ali Enterprises in Karatschi, Pakistan.

Ohne EU-Mindestlohn kein soziales Europa

von Roland Erne

Nach Jahren antisozialer Politik infolge der Finanzkrise von 2008 standen soziale Fragen in der vergangenen Legislatur der EU wieder weiter oben auf der Agenda. Zwischen 2022 und 2024 verabschiedeten das EU-Parlament und der Rat seit langem wieder mehrere soziale EU-Gesetze, darunter die Richtlinie über „angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union“.

Drei Millionen ohne Abschluss: Was tun?

von Maike Rademaker

Die Zahl war lediglich einen Tag lang einige Schlagzeilen wert: Rund 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hierzulande haben keinen Berufsabschluss. Maike Rademaker analysiert Gründe und Lösungsansätze.