Ausgabe August 2008

Vom Schmelztiegel zur Armee der Randgruppen

Streitkräfte und Staatsideologie in Israel

Vor zwei Jahren, am 14. August 2006, endete der zweite Libanonkrieg. Seit dem Waffenstillstandsabkommen versucht die israelische Regierung, ihr Versprechen einzulösen, alle von den Hisbollah-Milizen verschleppten Soldaten nach Hause zu holen. Insbesondere Premierminister Ehud Olmert weiß: Sein politisches Überleben hängt nicht zuletzt von der Rückkehr der Gefangenen ab.

Die Bevölkerung nimmt großen Anteil an den Schicksalen der Vermissten, jeder Israeli kennt die Soldaten beim Namen. Die Fotos der jungen Männer finden sich nicht nur regelmäßig auf den Titelseiten israelischer Tageszeitungen. Auch an den Heckscheiben vieler Autos mahnt ein Aufkleber in den israelischen Farben: „Lasst nicht Gleichgültigkeit sie töten“, daneben die Gesichter der drei vermissten Soldaten Ehud Goldwasser, Eldad Regev und Gilad Shalit. Breite Anteilnahme am Schicksal der Soldaten ist in Israel nichts Ungewöhnliches. Schließlich befindet sich das Land seit über 60 Jahren immer wieder im Konflikt mit seinen Nachbarstaaten. Die Armee gehört daher zum Alltag der israelischen Gesellschaft.

Einerseits lassen sich die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (Israel Defense Forces, IDF) als großer bürokratischer Apparat begreifen, der vor allem eigene Interessen verfolgt.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Gaza: Hält der erzwungene Frieden?

von Ignaz Szlacheta

Erst als am 13. Oktober morgens die 20 noch lebenden Geiseln freigelassen worden waren und kurz darauf auch knapp 2000 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikamen, wich die Anspannung. Vorher beschrieb der katarische Nachrichtensender Al-Araby die Stimmung im Gazastreifen als einen „Zustand des Wartens und der Wachsamkeit, begleitet von großer Zuversicht“.

Gaza und die Ära der Straflosigkeit

von Seyla Benhabib

Künftige Historikerinnen und Historiker, die auf den Israel-Gaza-Konflikt zurückblicken, werden möglicherweise erkennen, dass dieser Konflikt an der Schnittstelle dreier Entwicklungen steht, die gemeinsam das Koordinatensystem der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten internationalen Institutionen völlig verschoben und eine neue Ära eingeläutet haben.