Von Turbulenzen sprechen politische Kommentatoren, von einem sich zuspitzenden Kulturkampf am Bosporus. Und in der Tat: Was wir gelegentlich über die Nachrichtenticker wahrzunehmen vermögen, klingt schon recht kurios. So erklärte das türkische Verfassungsgericht 2007 die Regierungspartei AKP für verfassungswidrig und scheiterte nur knapp damit, sie deswegen verbieten zu lassen. Die gemäßigt islamische AKP wiederum setzte auf parlamentarischem Wege einen Verfassungszusatz in Kraft, der es Frauen „ermöglicht“, mit Kopftuch zu studieren, was daraufhin von den kemalistischen Verfassungswächtern für null und nichtig erklärt wurde.
Wer unter die Oberfläche dieser Nachrichten zu schauen gewillt ist, muss schon zu Spezialveröffentlichungen greifen. Und die werden umso besser, je weiter sie sich wegbewegen von der ideologisch aufgeladenen Angstmache vor den um Einlass in die EU begehrenden nichtchristlichen Türken.
Perry Andersons Buch bietet uns einen solch unaufgeregten, überaus erhellenden Zugang. Der in London und Los Angeles lebende Brite irischer Abstammung ist, was man einen angelsächsischen Weltbürger nennen muss.