Ausgabe Mai 2010

Wie ticken die Reichen?

Reichtum als Determinante sozialer Ungleichheit stand lange im Schatten einer elaborierten sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Armutsforschung. Voluminöse Handbücher über „Armut und soziale Ausgrenzung“ verweisen auf die Allgegenwärtigkeit von Armut als soziales Massenphänomen in einem reichen Land.[1] Und daneben gibt es den täglichen Deutungskampf über die unterstellte „spätrömische Dekadenz“ der Armen, über wissenschaftliche „Armutsbemessungsgrenzen“ oder belastbare Zahlen zur „relativen Armut“, von der ein Viertel bis ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland betroffen ist. „Wie eine Gesellschaft ihre Armen sieht und behandelt, ist der Prüfstein dafür, ob sie als human, sozial und demokratisch gelten kann.“ An dieser Vorgabe misst etwa Christoph Butterwegge die deutsche Armuts- und Reichtumspolitik, die nicht losgelöst voneinander zu betrachten seien. Ihm zufolge sind Armut und Reichtum interessengeleitete Begriffe, die zeitgenössischen Wahrnehmungen und Kräfteverhältnissen unterliegen.[2]

Daher kann die von Guido Westerwelle losgetretene Diskussion über Hartz IV nicht nur als grandioses Ablenkungsmanöver vom Versagen des Finanz- und Managerkapitalismus gedeutet werden, sondern auch als wachsende Unsicherheit deutscher „Leistungseliten“.

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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Globales Elend und die Diktatur der Superreichen

von Ute Scheub

Sie düsen in Privatjets um die Welt, um Immobilien und Konzernketten an sich zu reißen. Sie kaufen ganze Landschaften und Inseln, um sich dort im größten Luxus abzukapseln. Sie übernehmen Massenmedien, um sich selbst zu verherrlichen und gegen Arme und Geflüchtete zu hetzen.